LAMPENFIEBER – erstes Soloprogramm von Jan Ammann

Flimmernde Herzen…

Jan Ammann

Die am 28. Oktober 2011 im Oberhausener Ebertbad an den Start gegangene und am 17. März in der Filharmonie Filderstadt beendete Tournee mit dem ersten Soloprogramm des Musicalstars und hohen Baritons Jan Ammann führte den Künstler mit diesem Konzept zu neun Konzerten an Locations in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hamburg und Baden-Württemberg.

Die Idee, ein Konzert abseits einer bloßen Aneinanderreihung der großen Musical-Erfolge des Künstlers mit einer durchgängigen Linie aus dem Gestern, Heute und Morgen des Protagonisten zu gestalten, war äußerst ambitioniert. Doch das Ergebnis spricht für sich. Zusammen mit dem Mastermind Andreas Luketa erarbeitete Jan Ammann in langer Vorarbeit ein Programm mit Titeln, die allesamt einen Bezug zu ihm bzw. seinem Umfeld haben. „Wer in meinem Konzert war, kennt mein Leben“, lautet ein Statement des Künstlers. Ein mutiges Unterfangen allemal, Fans, Bewunderern und Konzertbesuchern somit einen offenen Blick in sein Innerstes zu gewähren.

Das Programm bestand aus den eingangs schon erwähnten musical-ischen Höhepunkten aus Jan Ammanns bisheriger Karriere sowie aus anspruchsvollen Popsongs, Schlagern und Chansons in neuen Arrangements von Mario Stork.

Es wurde der Bogen gespannt vom Kindsein über die Jugend, das Erwachsenwerden, das Vatersein, den eingeschlagenen beruflichen Weg, die Karriere, bis hin zu den Narben, die das Leben im Laufe der Zeit schlägt, über Verluste, Trennungen, Abschied.

Mit eingestreut ins Programm fanden sich charmante Moderationen und Gedichtteile.

Der erste Teil des Programms, betitelt als „Gestern“, befasst sich mit der Kindheit und dem Heranwachsen mit all den dadurch ausgelösten Wirrungen. Begleitet von Lachsalven des Auditoriums beschreibt der Künstler unter anderem überaus pointiert die emotionalen und physiologischen Zustände, welche die Pubertät bei ihm ausgelöst haben.

Der zweite Teil, genannt „Heute und Morgen“, ist ziemlich philosophisch-melancholisch geraten. Eine einzige Uptempo-Nummer (Kind der Sterne) findet sich im Verbund mit berührenden, intimen, teils sehr anspruchsvollen Balladen. Man ist geneigt zu mutmaßen, ob dies nicht vielleicht ein bisschen zuviel Melancholie für einen erst 36-Jährigen ist, der seinem eigenen Bekunden nach ein erfülltes Privatleben und sich künstlerisch ganz oben in der deutschen Musicalszene etabliert hat. Doch es ist in der Tat alles stimmig und entspricht offenbar der Seelenlage des Künstlers zum Zeitpunkt der Programmerstellung. Auffallend ist, dass neben dem Schwerpunkt „Liebe“ mit all den Nebenwirkungen vor allem die Thematik „Kindheit“ quer durchs Programm läuft und in beiden Akten immer wieder präsent ist.

Ein Höhepunkt des Programms ist – wie könnte es auch anders sein – der aus drei Titeln bestehende „Tanz der Vampire“-Block. Von den vielen anwesenden Fans sehnlichst erwartet aus Jan Ammanns packender und unvergessener Interpretation des Grafen von Krolock kommt tatsächlich das Vampirgebiß zum Zuge – unter dem Juchzen des Publikums schlägt der Graf am Ende der Totalen Finsternis seine Hauer in den unschuldig unter ihm dargebotenen Hals seiner Duettpartnerin. Die folgende Showstopper-Arie Die unstillbare Gier reisst aufgrund der hochemotionalen Darbietung die Zuschauer zu lang anhaltenden Standing Ovations von den Sitzen.

Gerne gehört hätte man vielleicht noch einen Titel aus dem Musical „Jekyll & Hyde“, wie zum Beispiel das wunderbar lyrische Fern und verloren. Die anspruchsvolle Doppelrolle hatte Jan Ammann im Sommer 2008, von Publikum und Presse gleichermaßen gefeiert, dargestellt.

Jan Ammann überzeugt und berührt mit diesem Programm, sein samtig-warmer, sehr wandlungsfähiger hoher Bariton bewältigt scheinbar mühelos auch die anspruchsvollsten Partituren. Sowohl die kraftvollen, eher klassisch angelegten Partien wie im „Ludwig2“-Block als auch die zarten, leisen Töne der Balladen bis hin zur reinen Poplage gelingen ihm dank seiner enormen stimmlichen Bandbreite, er meistert seine Parts mit traumwandlerischer Sicherheit. Der Zuhörer kann den Vortrag genießen, ohne auch nur ansatzweise befürchten zu müssen, dass sich ein angestrengter oder gar ein nicht hundertprozentig getroffener Ton einschleichen könnte. Man merkt darüber hinaus am uneitlen und bescheidenen Auftreten des Künstlers, dass er inhaltlich sein Programm in völliger Authentizität und Wahrhaftigkeit präsentiert, was ihn sehr sympathisch macht. Dazu gehört auch, dass er noch immer nicht souverän mit Applaus umgehen kann, und geradezu verlegen wirkt beim ausdauernden Publikums-Jubel. Seine Zwischenmoderationen beginnen teilweise schon, während noch applaudiert wird, weswegen man die gesprochenen Anfänge oftmals nicht mitbekommt.

Mit ihrem Operetten-Koloratursopran scheint Nicole Mühle auf das erste Hinhören eine ungewöhnliche Wahl im Solisten-Quartett zu sein. Jedoch fügt sich die sympathische Sängerin gut ein, beherrscht sie doch über ihre klassische Stimme hinausgehend auch die für einige der Programmtitel erforderliche Fähigkeit, Pop zu singen. In ihrem Solo Du gehst niemals allein sowie in den Duetten mit Jan Ammann Wär’ es Liebe und In Palästen geboren überzeugt sie rundum, lediglich im Duett Once Upon Another Time bringt sie nicht die erforderliche zurückhaltend lyrische Stimmfärbung ein, sondern singt ihren Part mit etwas zuviel Druck, was einen leicht dissonanten Eindruck des ansonsten wunderbaren Duetts aus „Love Never Dies“ hinterlässt.

Michaela Schober wurde nachträglich für die terminlich verhinderte, ursprünglich geplante, Lisa Antoni ins Solistenquartett aufgenommen. Doch sie ist weit mehr als ein Ersatz. Vielmehr begeistert sie mit ihrem warmen und bombensicheren Mezzosopran vom ersten Ton an, ob bei ihrem Solo Weit über’s Meer oder in dem wohl noch niemals zuvor so perfekt vom Gleichklang der Stimmvolumina her dargebotenen Duett mit Graf Krolock alias Jan Ammann bei Totale Finsternis.

Sascha Kurth ist in den letzten beiden Jahren ein verlässlicher Wegbegleiter Jan Ammanns geworden, ob als Interpret mit einer Solo- und einer Duettnummer auf Ammanns Album „Musical“ vertreten, ob bei der „Ich gehör nur mir“ Konzertreihe oder nun als Solist bei der Lampenfieber-Tour.

Seinen kraftvollen Baritenor setzt Sascha Kurth insbesondere bei seiner Interpretation des Titels Für Sarah gekonnt und mitreißend ein, doch auch im Popduett Torn Picture weiß er gesanglich neben Jan Ammann vollends zu überzeugen.

Die siebenköpfige Band unter dem bewährten Dirigat von Marina Komissartchik bedarf ausschließlich positiver Erwähnung. Alle Musiker liefern exzellente Leistungen, aus dem stimmigen Gesamtbild stechen noch besonders Marina Komissartchik am Flügel, Emilio Percan an der Violine und Thomas Spies an der Gitarre hervor.

Als die beiden Höhepunkte der Lampenfieber-Tour dürfen die Konzerte in Füssen und in Filderstadt (am 17. März 2012, das letzte Konzert der Reihe) gelten.

Ins prächtige Festspielhaus Füssen kehrte Jan Ammann sozusagen in sein Wohnzimmer zurück, in welchem er einige Jahre als bayerischer König Ludwig II. Abend für Abend das Publikum begeisterte, und dies war für ihn naheliegenderweise mit besonderen Emotionen verbunden. Nachdrücklich in Erinnerung bleiben die im Festspielhaus eingebauten Bühnenbild-Extras: sowohl der blutrot herabfallende rote Vorhang bei der „Tanz der Vampire“-Sequenz, als auch insbesondere die Sicht auf das schneebedeckte Alpenpanorama, dramaturgisch passend enthüllt auf den ersten Ton des „Ludwig2“-Blocks von Geliebte Berge.

Das für den 17. März 2012 in der Filharmonie Filderstadt anberaumte letzte Lampenfieber-Konzert war bereits Monate zuvor restlos ausverkauft. Bei seinem „Heimspiel“, nur wenige Minuten von seinem Zuhause entfernt, zog Jan Ammann alle Register. Nie zuvor erlebte man ihn derart locker, gelöst, fröhlich, sprühend vor Spontanität, aber auch hochemotional. Wieviel ihm dieses sein erstes Soloprogramm bedeutet, war für jedermann sichtbar, als ihm am Ende der ihm ohnehin immer nahegehenden Konstantin Wecker Ballade Das ganze schrecklich schöne Leben die Tränen übers Gesicht kullerten – es dürfte keinen einzigen der knapp 700 im Saal anwesenden Zuschauer gegeben haben, der hier nicht einen großen Kloß im Hals gehabt hatte, bzw. nicht selbst zum Taschentuch greifen musste. Dies sind Momente von großer Authentizität und Intimität, wie man sie ganz selten nur live bei einem Konzert oder Theaterereignis erleben kann.

Gedankt wurde dem gefeierten Künstler, seinen hervorragenden Gastsolisten und der großartigen Band an diesem Abend mit besonderen, im Vorfeld vorbereiteten Fan-Aktionen. Bei der Zugabe Sänger sein schwenkten alle Konzertbesucher bunte Knicklichter, welche den Saal in magisches Licht tauchten. Und nach dem Schlussapplaus intonierte das stehende Publikum für den verdutzten aber dann sogleich vor Freude strahlenden Jan Ammann einen Part des für diesen Zweck umgetexteten Lampenfieber-Songs. Hunderte „Flimmernde Herzen“ flogen dem Künstler virtuell zu. Nach den gerührten Dankesworten eines mit seinen Emotionen kämpfenden Jan Ammann, während denen auch bei den Gastsolisten schwimmende Augen zu erkennen waren, ging ein ganz außergewöhnlicher Konzertabend zu Ende, der bei allen, die live dabei sein konnten, noch lange nachwirken wird.

Für den Herbst 2013 wurde eine neue Solotournee des Künstlers angekündigt, wofür bereits namhafte Autoren, Komponisten und Texter eigene Songs für Jan Ammann schreiben. Man darf gespannt sein…

(Silvia E. Loske), März 2012

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Setlist

MUSIKTITEL INTERPRET/-IN
1. Teil  
Intro aus dem Off
Herzschlag. „Es ist dieses Kribbeln, dieser Adrenalinstoß, dieses ständige Leben in zwei Welten… fremd, und doch vertraut“.
Jan Ammann
Lampenfieber Jan Ammann, Sascha Kurth, Nicole Mühle, Michaela Schober
Unendlich weit Jan Ammann, Michaela Schober
Refrains: Sascha Kurth, Nicole Mühle
Er spricht mit seinem Engel Jan Ammann
Zauberhaft natürlich
(Musical „Rebecca“)
Jan Ammann
Carousel Waltz
(Musical „Carousel“)
Sascha Kurth
Wär’ es Liebe
(Musical „Carousel“)
Jan Ammann und Nicole Mühle
Billys Monolog
(Musical „Carousel“)
Jan Ammann
Du gehst niemals allein
(Musical „Carousel“)
Nicole Mühle
Wie kann ich sie lieben
(Musical „Die Schöne und das Biest“)
Jan Ammann
Die Einladung zum Ball
(Musical „Tanz der Vampire“)
Jan Ammann
Totale Finsternis
(Musical „Tanz der Vampire“)
Jan Ammann und Michaela Schober
Für Sarah
(Musical „Tanz der Vampire“)
Sascha Kurth
Die unstillbare Gier
(Musical „Tanz der Vampire“)
Jan Ammann
Leben Jan Ammann, Sascha Kurth, Nicole Mühle, Michaela Schober
2. Teil  
Hymne à l’amour Jan Ammann
Gedicht / Novelle
„Betrachtung zum Leben“ von Wilhelm Raabe
Jan Ammann
Once Upon Another Time
(Musical „Love Never Dies“)
Jan Ammann und Nicole Mühle
Torn Picture Jan Ammann und Sascha Kurth
Gedicht / Novelle
„An einen Freund“ von Kristiane Allert-Wybranietz
Jan Ammann
Gib auf Deine Seele acht Jan Ammann
Kind der Sterne Jan Ammann und Sascha Kurth
Weit übers Meer Michaela Schober
Wenn der Oktober geht Jan Ammann
Und dann tanzt sie Jan Ammann
Geliebte Berge
(Musical „Ludwig2“)
Jan Ammann
In Palästen geboren
(Musical „Ludwig2“)
Jan Ammann und Nicole Mühle
Kalte Sterne
(Musical „Ludwig2“)
Jan Ammann
Gedicht / Novelle
„Die fünf Menschen, die Dir im Himmel begegnen“
von Mitch Alborn
Jan Ammann
Das ganze schrecklich schöne Leben Jan Ammann
Am Abend vor dem Sturm Jan Ammann, Sascha Kurth, Nicole Mühle, Michaela Schober
Zugaben  
Sänger sein Jan Ammann
Lampenfieber
– Reprise –
Jan Ammann, Sascha Kurth, Nicole Mühle, Michaela Schober