EIN ABEND IM DEZEMBER – Pia Douwes

 

 

Filharmonie Filderstadt,10.12.2012

Die Bühne in der Filharmonie ist stimmungsvoll dekoriert mit einem großen geschmückten Weihnachtsbaum, Geschenkpakete liegen herum, und ein Sofa lässt uns erahnen, dass es dort im späteren Verlauf des Abends noch gemütlich zugehen wird.

Zur musikalischen Begleitung lediglich der bewährte Bösendorfer Flügel, mit der wunderbaren Marina Komissartchik an den Tasten, neben ihr als Turn Pager fungierend Kerstin Ibald aus dem nahegelegenen Manderley. Apropos: Überschlägig die halbe Belegschaft inklusive Herrschaften des mysteriösen Cornwall’schen Anwesens lässt es sich nicht nehmen, diesem Konzertabend ihrer Kollegin Pia Douwes beizuwohnen.

Und was wird das für ein wunderbarer, intensiver Abend. Nun, man kann argumentieren, etwas anderes hätte man auch nicht von der First Lady of Musical zu erwarten. Und doch – gerade diese Mischung aus den sehr anspruchsvollen “Dezember Liedern” im ersten Teil und der Reise durch die beeindruckenden Musicalerfolge der Künstlerin, gefolgt von einem sehr humorvollen doch auch besinnlichen Weihnachtsmedley im zweiten Teil, war ganz besonders. Und eben schon aufgrund der Thematik einmalig im Jahr.

Der arrivierte Musicalkomponist Maury Yeston schuf in Anlehnung an Franz Schuberts “Winterreise” 1991 den Liederzyklus “December Songs”.  Im Jahre 2007 dann veröffentlichte Pia Douwes auf deutsch eingesungen die Dezember Lieder, in hervorragender Übersetzung durch Wolfgang Adenberg.

Es wird in einer Ansage zu Beginn gebeten, den zusammengehörigen Liederzyklus nicht durch Applaus nach den einzelnen Gesangsteilen zu unterbrechen, sondern erst am Ende zu klatschen, was dann auch genauso gehandhabt wird.

Unprätentiös erscheint die Protagonistin des Abends, in zurückhaltender Garderobe und Hairstyling, zusammen mit ihrer Pianistin und entführt uns in unnachahmlicher Weise in die Gefühlswelt einer verzweifelten Frau, die ihrer verlorengegangenen Liebe nachtrauert.

Hochkonzentriert, doch mit der ihr eigenen Grandezza, führt uns die Künstlerin als einsame, verlassene Frau durch das verschneite New York und hängt in zehn bewegenden Liedern gedanklich ihrem  verlorenen Liebesglück nach. Diese Lieder, eine Mischung aus klassischem Lied und Chanson, bewegen und fesseln den Zuschauer zutiefst. Marina Komissartchiks Klavierspiel ist schlichtweg virtuos und optimiert die Wirkung des Zyklus dadurch ganz außerordentlich.

Mit lyrischem Gesang und nur selten ins musicalmäßige Belten abweichender vieroktaviger Stimme bannt Pia Douwes das Auditorium. Die tiefgründigen Texte, die teilweise stakkatoartig vorgetragen werden (Wo bist Du jetzt), wären schon für eine deutsche Muttersprachlerin eine Herausforderung. Umso mehr muss man hier den Hut ziehen.

Mit gefälliger Melodie, sofern man bei diesem anspruchsvollen Liedgut überhaupt von gefällig sprechen kann, nisten sich insbesondere Großmutters Liebesbriefe und Sag bitte nicht einmal Hallo im Gehörgang ein. Meint man noch, die traurige Protagonistin hätte es im letzten Lied geschafft, nach vorne zu blicken und neuen Lebensmut zu fassen mit Unendlich befreit, so zerplatzt diese Hoffnung mit den anschließenden Reprisen von Dezemberschnee und Sag bitte nicht einmal Hallo und der Erkenntnis, dass sie ihren Verlust noch lange nicht aufgearbeitet hat.

Der zweite Teil des Abends ist fast dreimal so lang wie der erste Teil, aber eben auch randvoll gepackt mit den Musicalerfolgen von Pia Douwes. Charmant, pointiert und stets mit dem Publikum interagierend spannt die Künstlerin den Bogen in Kurzversionen der Lieder von ihren Anfängen bei “Little Shops of Horrors” über “CATS”, zu “Les Misérables” (sehr berührend Ich hab geträumt) dann zu ihrem, wie sie es selbst bezeichnet, absoluten Geschenk der Erstinterpretation und dem Kreieren der “Elisabeth” (Nichts, nichts, gar nichts und ihre Hymne Ich gehör nur mir) bis zu all den anderen großartigen Hauptrollen, die sie im Anschluss daran verkörpert hat.  Und dabei gibt es auch wirkliche Perlen zu hören, sie geht nicht den einfachsten Weg, um allseits zur Genüge zu oft gehörte, um nicht zu sagen, abgenudelte, Hits zu interpretieren. Nein, es ist eben nicht Don’t cry for me Argentina, sondern es ist das schwungvoll-feurige Buenos Aires!

Von einer Autogrammkarte liest Pia Douwes sodann die wichtigsten Stationen der eindrucksvollen Biographie ihres Gaststars vor und es rutscht ihr heraus “upps, der hat ja fast mehr gemacht als ich, und eine Ausbildung hat er auch” – “ohh, das hört sich jetzt aber komisch an, so meinte ich das nicht” :-)). Der solchermaßen gelobte Jan Ammann erscheint leicht eingeschüchtert von der Hinterbühne und traut sich fast nicht nach vorne – doch drücken gilt nicht, jubelt doch das Publikum bereits begeistert auf. 

Wir genießen das packende Bolero-Duett Wenn ich tanzen will aus “Elisabeth”, gefolgt von einem der größten Erfolge Jan Ammanns, der ergreifenden Arie Kalte Sterne aus seiner Hauptrolle in “Ludwig2”, einfach großartig vorgetragen.

Wir begleiten Pia Douwes weiter zu den “Drei Musketieren”, freuen uns über witzige Bonmots aus der damaligen Zeit und hören Wo ist der Sommer auf holländisch – und dann “Pia’s Song”, die Uptempo-Nummer, die für die deutsche Produktion des Stücks für die Grande Dame des Musicals geschrieben wurde: Milady ist zurück. Sodann werden wir mitgenommen in eine mondäne Villa am Sunset Boulevard, die in Vergessenheit geratene einstige Stummfilmdiva Norma Desmond will mit einem hypnotischen Nur ein Blick/With one look  ihre alten Filmerfolge wieder zum Leben erwecken. Auch wenn die Künstlerin zuvor meinte, sie wäre für die Rolle noch etwas zu jung gewesen, was von ihrem blendendem Aussehen her sicherlich zutrifft, so trifft sie doch stimmlich und mit wenigen ausdrucksvollen Gesten punktgenau den Kern dieses melodramatischen Liedes.

Jan Ammann nimmt uns mit durch Das ganze schrecklich schöne Leben, ein sowohl dem Künstler als auch dem Publikum sehr zu Herzen gehender Titel, der auch noch perfekt in die vorweihnachtliche Stimmung passt.

Und dann trifft uns die geballte Ladung Weihnachten, denn Pia Douwes liebt Weihnachtslieder. Silver Bells als Duett der beiden Ausnahmekünstler, und ein urkomisches Santa Baby, in dessen Verlauf Pia Douwes durch die Publikumsreihen schlendert, auf den Schößen diverser – um Fassung ringender – Herren landet und sie dann schließlich noch  einen Konzertgast entdeckt, der, wie sie entzückt konstatiert, auch noch wie Santa Claus aussieht.

Es pocht laut an der Seitentüre der Bühne “Post für Pia” – Jan Post-Am-mann übergibt einen Packen Papier an Pia, was sich als ca. 8-10m lange Papierrolle herausstellt, mit allen Texten und Noten für das nun anstehende Medley mit allen amerikanischen Weihnachtsklassikern. Zum großen Amüsement des Publikums wird diese Papierrolle flugs über die ganze Breite des Bühnenrands ausgelegt. Und nun? Ein offenbar mit kleinen Rollen ausgestatteter Schlitten hat seinen großen Auftritt – anmutig doch äußerst pragmatisch rafft Frau Douwes ihr wunderschönes rotplissiertes Abendkleid zusammen und nimmt auf dem Schlitten Platz, neben ihr platziert sich Jan Ammann und natürlich werden sodann auch gleich noch die obligatorischen Weihnachtsmannmützchen aufgesetzt. Und so hoppeln die Künstler auf ihrem ganz speziellen Sleigh Ride von Lied zu Lied der vor ihnen auf dem Boden liegenden Mega-Notenblätter. Zu köstlich! Sowohl die Künstler als auch das Publikum haben einen Riesenspaß bei diesem Medley – das leider viel zu schnell vorüber ist, und mit anhaltendem lauten Jubel bedacht wird.

Getuschel der Künstler – nanu? Hat Pia wohl doch offensichtlich bei der Reise durch ihre Musicalerfolge glatt “Rebecca” vergessen… “stell Dir vor, Mrs. Danvers hat auch Weihnachten…”. Und schon kommt es, das Titellied dieses großartigen Musicals.

Schlussapplaus, frenetischer Jubel. Aber natürlich gibt es noch Zugaben. Jetzt kommt das eingangs schon erwähnte gemütliche rote Sofa zum Einsatz. Wir wohnen einer sehr netten Verführungsszene bei, Baby it’s cold outside. Pia gibt sich mädchenhaft-zickig und will nach Hause, Jan versucht mit allen Regeln der Kunst, sie zum Bleiben zu bewegen – unter anderem mithilfe von Rotwein und gedimmtem Licht. Diese Bemühungen sind tatsächlich von Erfolg gekrönt, denn zum Ende dieser launigen Nummer hin liegt Pia bereits – die Waffen streckend – in Jans Armen. Dieser fühlt sich – wen wundert’s – beobachtet…

Den stimmungsvollen Höhepunkt bildet dann das dreisprachig (englisch, holländisch, deutsch) gesungene, zarte, Stille Nacht. Besser kann man dieses Konzert nicht beenden. Mit beseeltem Grinsen im Gesicht und emotional randvoll gefüllten Herzen begeben sich die Konzertbesucher auf den Heimweg.

(Silvia E. Loske, Dezember 2012)

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Songlist

MUSIKTITEL INTERPRET
Teil 1  
Dezember Lieder:

  • Dezemberschnee
  • Wo bist Du jetzt
  • Sag bitte nicht einmal Hallo
  • Am Anfang der Liebe
  • Bücherstand im Regen
  • Großmutters Liebesbriefe
  • Wie sehr sehn ich mich
  • Im Traum hab ich Dich gesehn
  • Am Fluss
  • Unendlich befreit
  • Reprise: Dezemberschnee / Sag bitte nicht einmal Hallo
 Pia Douwes
   
Teil 2  
Little Shop of Horrors Pia Douwes
CATS-Medley: Gus, Macavity, Colloratur Griddlebone, Mistoffelees, Mondlicht Pia Douwes
Les Misérables: Ich hab’ geträumt Pia Douwes
Elisabeth: Nicht, nichts, gar nichtsIch gehör nur mir Pia Douwes
Musical-Medley: Grease, Evita, WWRY, Passion, Fosse, Cabaret, Rocky Horror, Chicago   Pia Douwes
Elisabeth: Wenn ich tanzen will Pia Douwes & Jan Ammann
Ludwig2: Kalte Sterne Jan Ammann
3 Musketiers: Waar bleef die zomer Pia Douwes
3 Musketiere: Milady ist zurück Pia Douwes
Sunset Boulevard: Nur ein Blick Pia Douwes
Rebecca: Rebecca Pia Douwes
Das ganze schrecklich schöne Leben Jan Ammann
Silver Bells Pia Douwes & Jan Ammann
Santa Baby Pia Douwes
Xmas-Medley

  • Santa Claus is coming to town
  • Winter wonderland
  • Jingle bell rock
  • Rocking around the xmas tree
  • Dreaming of a white xmas
  • Have yourself a merry little xmas
  • Chestnuts roasted
  • Deck the halls
  • Sleigh ride
  • Let it snow
  • Rudolph, the rednosed reindeer
  • We wish you a merry xmas
Pia Douwes & Jan Ammann
   
Zugaben:  
Baby, it’s cold outside Pia Douwes & Jan Ammann
Stille Nacht Pia Douwes & Jan Ammann