DER BETTELSTUDENT, München

 

Foto: Christian Zach

Prinzregententheater München als Produktion des Staatstheaters am Gärtnerplatz, Premiere 12.4.2013

Seit der umjubelten Uraufführung des neckischen Verwirrspiels sind mittlerweile 131 Jahre vergangen, doch das Stück amüsiert noch immer und bietet, vor allem wenn es mit so leichter Hand inszeniert wird wie aktuell von Emmy Werner für das Staatstheater am Gärtnerplatz, das aufgrund der Sanierungsarbeiten mit dieser Produktion im schönen Prinzregententheater zu Gast ist, immer noch beste Unterhaltung.

„Der Bettelstudent“ ist eine der erfolgreichsten Operetten überhaupt, nicht zuletzt wegen der vielen Ohrwürmer, die das Stück zu bieten hat. Jedermann – nun ja, jedenfalls jedermann über 40 Jahre… – hat schonmal Hab kein Geld, bin vogelfrei, Ich knüpfte manch zarte Bande, Ich setz den Fall und natürlich die bekannteste Arie Ach ich hab, sie ja nur, auf die Schulter geküsst gehört. Diese eingängigen Melodien im Verbund mit liebevoll gezeichneten Figuren und dem Scharade-ähnlichen „Adelig oder nicht, wer ist in Wirklichkeit wer und warum“, ausgestattet mit in prächtige Kostüme gewandete Hauptdarsteller und massenhaft Statisterie ist eigentlich ein Selbstläufer.

Eigentlich… denn es bedarf schon eines engagierten Teams, das diese Operette von möglichem Schwulst und Staub befreit und locker-luftig, mit einem unübersehbar enorm spielfreudigen Ensemble, auf die Bretter bringt – wie hier sehr gelungen präsentiert.

Die Geschichte dürfte bekannt sein, hier in Kurzform zur Auffrischung: Die Sachsen besetzen Polen; das Krakauer Grandhotel Polonia wird kurzerhand annektiert und als Kommandatur missbraucht – die Hotelzimmer beherbergen polnische Gefangene, die vom Aufseher Enterich (passend sächselnd: Torsten Frisch) eher lethargish bewacht werden. Ein einziges Hotelzimmer wird jedoch – der wirtschaftlichen Not geschuldet – von der verarmten Gräfin Nowalska samt ihrer beiden hübschen heiratsfähigen und vor allem nicht auf den Kopf gefallenen Töchter Laura und Bronislawa bewohnt.

Auf einem Ball macht sich der gockelhafte und zu seinem größten eigenen Verdruss nicht-adelige Gouverneur von Krakau, Oberst Ollendorf, an Komtesse Laura heran und lässt sich dazu hinreissen, sie auf die Schulter zu küssen – was ihm postwendend einen ordentlichen Schlag an die Wange mit dem Komtesserl-Fächer einbringt.

Rachelüstern schwadroniert er, sich vor seinen Offizieren in die Brust werfend, dass ihm ja schon manches passiert sei, aber so etwas noch nicht… um sodann empört zu erklären, dass er sie ja nur auf die Schulter geküsst habe. Grimmig sinnt er auf Rache und bedient sich hierzu zweier schmucker studentischer Gefangener, die er mit Aussicht auf Freilassung als „Graf Wybicky samt Sekretär“ anheuert, sie entsprechend ausstaffiert und solchermassen zwecks Kopfverdrehens und sofortiger Heirat den nunmehr in prächtige Uniform gehüllten Bettelstudenten Symon auf die Komtesse Laura ansetzt, um diese dann öffentlicher Blamage auszusetzen.

Der Plan gelingt sofort, Laura und der vermeintliche Graf Wybicky verlieben sich auf den ersten Blick ineinander und Schwester Bronislawa verguckt sich schwer in den ansehnlichen angeblichen Sekretär alias Student Jan Janicki. Was allerdings der pfauenhafte Oberst Ollendorf nicht weiß, ist, dass die beiden pfiffigen Schwestern längst schon im Vorfeld ein Auge auf die beiden Gefangenen geworfen hatten, und somit die gestellte Falle sofort als solche erkennen und vordergründig das Spiel mitspielen.

Die Gräfin-Mutter ist mehr als entzückt über die prächtige standesgemäße Partie ihrer Laura. Symon indes plagen Gewissensbisse und er versucht mit mehreren Anläufen, seiner Laura seine wahre Identität preiszugeben, schreibt ihr einen erkärenden Brief, der jedoch vom intriganten Oberst abgefangen wird – Verwandte und Freunde treffen ein und die Hochzeit nimmt ihren Lauf.

Ollendorf sieht seine große Stunde der Rache gekommen und posaunt hinaus, dass es sich beim Grafen Wybicky in Wahrheit um einen armen Bettelstudenten handle und der Sekretär ein politischer Unruhestifter sei. Letzterer entpuppt sich jedoch als Graf Opalinski, der den Widerstand gegen die sächsischen Besatzer organisiert und treu an der Seite des polnischen Königs steht. Ollendorfs Plan geht schief, Die kluge Laura steht zu ihrem Bettelstudenten, die Befreiung Polens gelingt dank einer List und der arme Student Symon wird ob seiner Verdienste an dieser Befreiung vom König noch flugs zum Landgrafen ernannt.

Die temporeiche Inszenierung ist gespickt mit Bonmots, das Orchester unter der Leitung von Michael Brandstätter spielt schwungvoll auf, das Bühnenbild ist zweckdienlich und die Sänger-Darsteller überzeugen allesamt mit guten bis hervorragenden Leistungen.

Daniel Prohaska in der Rolle des sympathisch-geradlinigen Bettelstudenten ist auf dem besten Wege, zum Münchner Publikumsliebling zu avancieren. In seiner bereits dritten Hauptrolle in kurzer Zeit (nach dem Zahlkellner Leopold im „Weißen Rössl“ und Billy Crocker in „Anything Goes“) spielt er erneut mit entwaffnender grübchen-verschmitzter Natürlichkeit und lässt seinen Tenor strahlen.

Die Männer-Duette mit seinem Gefängnis-Kumpan Jan Janicki (Mathias Hausmann) geraten wunderbar, finden sich doch Tenor und sonorer Bariton zu einer überaus wohlklingenden Kombination.

Die beiden adeligen Schwestern werden von Simona Eisinger als ewig hungriger Bronislawa und Elvira Hasanagic als Laura bestens verkörpert. Insbesondere Elvira Hasanagic beeindruckt durch überaus lebendiges Spiel und sicheren Sopran. Man hält es kaum für möglich, aber die junge Künstlerin befindet sich tatsächlich am Ende ihrer Ausbildung und hat noch ihre Abschlussprüfung vor sich. Mit dieser fulminanten Leistung nun – so lässt uns Intendant Josef E. Köpplinger bei der anschließenden Premierenparty wissen – hätte sie ihren erfolgreichen Abschluss in der Tasche, ohne jeden Zweifel.

Als Grafenmutter Nowalska erleben wir adelig-pomadig Kammersängerin Gisela Ehrensperger, stets an ihrer Seite als aufgrund der weiblichen Übermacht resignierender Diener Onuphrie erfreut Franz Wyzner. Die beiden Senioren ernten tosenden Beifall des dankbaren Münchner Publikums.

Kommen wir nun zur eigentlichen Witzfigur des Stücks, Oberst Ollendorf. Hans Gröning, nach launiger Einschätzung der Regisseurin viel zu attraktiv für diese Rolle, stolziert funkelnden Auges und zur rechten Zeit mit dem Degen rumfuchtelnd und von sich selbst höchst eingenommen durch die Szenerie und liefert ein Kabinettstück allererster Güte. Müssig zu erwähnen, dass er mit seinem prächtigen Buffobass dank der ausgezeichneten Akustik das ehrwürdige Prinzregententheater zum Erbeben bringt. Ihm gehört auch die Spezialnummer des Stücks im zweiten Akt, ein Couplet mit Aktualitätsbezug von Rettungschirmen, Ratzi-Rücktritt, Banken-Skandalen, geklauten Doktorarbeiten, never ending Bauprojekte, Ekelfleisch-Aufruhr bis hin zu den aberwitzigen Münchner Mieten. Einfach köstlich, wie er von einer Seite der Bühne zur anderen springt, kurz verschwindet, um sodann sofort – „einer geht noch“ – wieder auftaucht und noch einen draufsetzt. Nicht ohne seinen Running Gag „Schwamm drüber!“ dabei exzessiv auszuleben.   

Das Premierenpublikum spart durchgängig nicht mit Szenenapplaus und feiert Stück, Kreative und Darsteller beim Schlussapplaus ausgiebig.

Termine (noch bis 12. Mai), Tickets und Informationen unter www.staatstheater-am-gaertnerplatz.de

(Silvia E. Loske, April  2013)

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Operette von Carl Millöcker (Musik), Libretto von Friedrich Zell und Richard Genée

 

Musikalische Leitung

Michael Brandstätter

 

Regie

Emmy Werner

 

Bühne und Kostüme

Rainer Sinell

 

Choreographie

Karl Alfred Schreiner

 

Dramaturgie

Michael Otto

 

Choreinstudierung

Jörn Hinnerk Andresen

 

 

 

 

Darsteller:

 

 

Gräfin Palmatica Nowalska

Gisela Ehrensperger

 

Laura, Tochter der Gräfin

Elvira Hasanagic

 

Bronislawa, Tocher der Gräfin

Simona Eisinger

 

Oberst Ollendorf, Gouverneur

Hans Gröning

 

Jan Janicki bzw. Graf Opalinski

Mathias Hausmann

 

Symon Symonowicz, Bettelstudent

Daniel Prohaska

 

Sächsische Offiziere

Hooger Ohlmann, Till Kleine-Möller, Victor Petersen, Dustin Smailes

 

Musikgraf Malachowski

Martin Hausberg

 

Musikgräfin Malachowska

Frances Lucey

 

Onuphrie, Palmaticas Diener

Franz Wyzner

 

Enterich, Gefängniswärter

Torsten Frisch

 

 

 

 

sowie: Thomas Hohenberger, Stefan Thomas, Florian Wolf, Patrik Piko Leins

 

Chor, Statisterie und Kinderstatisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz