LES MISÉRABLES – Magdeburg Domplatz Open Air

Premiere am 21.06.2013

Das Lied des Volkes vor beeindruckender Kulisse

Das Theater Magdeburg hat sich mit seiner diesjährigen Open Air Produktion „Les Misérables“ von Alain Boublil und Claude-Michel Schönberg wieder einmal selbst übertroffen. Eine großartige Inszenierung mit knapp 130 Mitwirkenden vor einer phantastischen Kulisse. Und nicht zuletzt: mit einer internationalen Starbesetzung.

Bei der Premiere am 21. Juni 2013 begüßte zunächst Intendantin Karen Stone das Publikum und teilte mit, dass aufgrund des extrem starken Regens am Vortag die Generalprobe ausfallen musste, so dass man nun in den seltenen Genuss käme, gleichzeitig eine Generalprobe und eine Premiere zu erleben.

Das Bühnenbild (Jens Kilian) ist ein riesiges halbkreisförmiges hölzernes Gestell, bei dem sich von rechts und links Teile nach vorne schieben lassen, um dadurch neue Räume entstehen zu lassen bzw. sichtbar zu machen, so unter anderem das Zimmer von Fantine oder das Studentencafé. Rechts und links wird auf Tafeln angezeigt, in welchem Jahr und in welcher Stadt wir uns gerade befinden. Die Kostüme von Dagmar Morell sind sehr gelungen; wo immer möglich, wurde etwas Farbe verwendet, vor allem rot, wie bei den Kleidern der leichten Mädchen und den Westen der Studenten. Auch der Dom wurde in die Kulisse mit einbezogen – bei Rot und Schwarz waren die Fenster des Doms rot erleuchtet – in anderen Szenen wurde er von außen angestrahlt oder die Fenster leuchteten in gelbem Licht. Dazu schien noch der Vollmond, das ergab eine wirklich beeindruckende Kulisse. Les Misérables ist aufgrund seiner vielen Außen- und Massenszenen wie gemacht für eine Open Air Aufführung.

Regisseur Gil Mehmert hat hervorragende Arbeit geleistet. Die Inszenierung ist rundum gelungen und die aufgrund der Fülle an emotionalen Lebensgeschichten, die über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren erzählt werden, nicht ganz einfache Handlung erschließt sich auch dem Erstbesucher gut.

Thomas Borchert, der den Jean Valjean schon vor 15 Jahren in Duisburg gespielt hat, freut sich, diese „Rolle seines Lebens“ noch einmal spielen zu dürfen. Er interpretiert seinen Charakter 24601 absolut überzeugend und brilliert gesanglich. Sein Gegenspieler Inspektor Javert wird von Markus Liske verkörpert. Der in Leipzig ausgebildete Tenor stand in Magdeburg bereits u. a. als Utterson in „Jekyll & Hyde“ und als von Unruh in „Die Schöne und das Biest“ auf der Bühne. Sein Javert überzeugt mit der rolleneigenen Unnachgiebigkeit und Härte, gesanglich meistert er seinen Part ganz hervorragend.

Christina Patten, in der Rolle der unglücklich in Marius verliebten Eponine, stand zuletzt in Stuttgart als Ich in „Rebecca“ auf der Bühne. Ihr Nur für mich ist ergreifend und rührt zu Tränen. Nicht wirklich warm wird der Musicalfan mit der Darbietung  von Teresa Sedlmair als Cosette. Ihr opernhafter Gesang und dazu noch das rollende R passt nicht zur Rolle und auch nicht zu dem Musicalgesang ihres Duettpartners Oliver Arno in der Rolle des Marius. Oliver Arno, der bereits den Tod in “Elisabeth“ gespielt hatte, lässt bei seiner Interpretation keine Wünsche offen und passt auch optisch optimal in sein Rollenprofil. Ebenfalls sehr positiv fällt Marc Lamberty auf als Enjolras, Anführer der studentischen Aufständler. Dem breiten Publikum ist er vielleicht eher noch nicht so bekannt, aber das sollte sich unbedingt ändern.

Sehr gut gefällt auch Gabriele Stoppel-Bachmann als grelle Madame Thénardier. Die studierte Sopranistin glänzt gesanglich und stellt ihr komisches Talent unter Beweis. Ebenfalls viel komödiantisches Spiel setzt Peter Wittig als ihr verschlagener Gatte, Monsieur Thénardier, ein. Leider hapert es hier jedoch in einem anderen Bereich: gesanglich scheint Peter Wittig mit seinem Part leicht überfordert.

Kommen wir zur Glanzleistung des Abends: Bettina Mönch in der Rolle der Fantine. Sie bringt eine derart gute gesangliche und auch schauspielerische Leistung, dass sie damit viele Zuschauer zu Tränen rührt. Kannte man Bettina Mönch bisher eher aus komischen Rollen wie der Amneris in „Aida“ oder der Ulla in „The Producers“, so hat sie hier nachdrücklich unterstrichen, was für eine großartige Tragödin sie ist.

Nicht unerwähnt bleiben soll auch die Darstellerin der kleinen Cosette, Helene Günther, die ihr Lied In meinem Schloss so anrührend vorträgt, dass man sie am liebsten sofort in den Arm nehmen und trösten möchte.

Last but noch least bleibt noch die Darstellerin des Gavroche, Sandra Pangl, zu erwähnen. Die relativ kleine Darstellerin stellt den mutigen Jungen Gavroche glaubwürdig dar. Auch gesanglich weiß sie mit Wir Kleinen zu überzeugen.

Die Magdeburgische Philharmonie unter der Leitung von Pawel Poplawski setzt das nahezu durchkomponierte Stück hervorragend um; der Ton ist gut abgemischt und nie zu laut.

Kurz vor Ende des Stückes am Premierenabend fiel ein kurzer, aber heftiger Schauer, was der Faszination der Aufführung jedoch keinen Abbruch tat. Beim ersten Ton des Schlussapplauses standen alle Zuschauer auf und feierten Darsteller und Kreative frenetisch mit nicht enden wollendem Applaus. Völlig zu Recht!

Les Misérables wird noch bis zum 20. Jui 2013 aufgeführt. Wer kann, sollte unbedingt hingehen! Es lohnt sich.

Weitere Informationen gibt es unter www.theater-magdeburg.de

(d.k., Juni 2013)

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Musical von Alain Boublil und Claude-Michel Schönberg, deutsch von Heinz-Rudolf Kunze

 

Regie Gil Mehmert
Musikalische Leitung Pawel Poplawski
Bühnenbild Jens Kilian
Kostüme Dagmar Morell
Dramaturgie Johanna Jordan
   
Darsteller:  
Jean Valjean Thomas Borchert
Inspektor Javert Markus Liske
Fantine Bettina Mönch
Eponine Christina Patten
Cosette Teresa Sedlmair
Marius Oliver Arno
Enjolras Marc Lamberty
Mme. Thénardier Gabriele Stoppel-Bachmann
M. Thénardier Peter Wittig
Gavroche Sandra Pangl
Cosette als Kind Helene Günther
   
Sowie: Opernchor Magdeburg, Singakademie und Statisterie Magdeburg