Interview ARMIN KAHL

Einen Tag vor der Wiederaufnahmepremiere von „Im weißen Rössl“ am Gärtnerplatztheater München nimmt sich der beliebte Musicalstar Armin Kahl die Zeit für ein Gespräch bei herrlichstem Frühherbst-Sonnenschein.

MR: Lieber Armin, lang ist’s her seit unserem letzten großen Interview vom Mai 2016, das noch zu Zeiten der „Gefährlichen Liebschaften“ entstand. Erste Frage: Wie hast Du die Lockdowns überstanden?

AK: Nun, im ersten Lockdown war ich, wie so viele andere auch, in einer Art Schockstarre. Man ging damals noch davon aus, dass sich das alles in ein paar Wochen erledigen würde, was ja bekanntlich nun so gar nicht eintraf und es uns allen allmählich dämmerte, welche Dimensionen das Ganze annahm. Aber, ehrlich gesagt, fand ich es anfangs auch durchaus befreiend, plötzlich Zeit zu haben, was in unserem Beruf mit bis auf Jahre im Voraus durchgetaktetem Terminplan so nie vorkommt. Interessanterweise hatte ich mir vor Corona bereits vorgenommen, mir genau in diesem Zeitraum, in dem dann der erste Lockdown stattfand, Zeit für eine Pause freizuschaufeln. Insofern fühlte es sich anfangs für mich fast so an wie Urlaub.

Finanziell hatte ich dahingehend Glück, dass ich im ersten Lockdown über das Gärtnerplatztheater als Gastsolist angestellt war und deshalb Kurzarbeitergeld erhalten habe.

MR: Davon habe ich gehört, dass sich der Gärtnerplatztheater Intendant Josef Köpplinger sehr dafür eingesetzt hatte, nicht nur alle am Theater direkt Beschäftigten durch Kurzarbeit abzusichern, sondern dies auch für Gastsolisten am Theater möglich gemacht hat. Vor so viel Verantwortungsbewusstsein kann man nur den Hut ziehen, das war hochanständig und vorbildlich. Was bei Weitem ja nicht der üblichen Praxis im künstlerischen Veranstaltungsbereich entsprach…

AK: Im Endeffekt hatte ich diesen Sommer lediglich eine Lücke von dreieinhalb Monaten ohne Entlohnung. Da hatte ich einen Vertrag mit einem Veranstalter, von dessen Seite es keine Anmeldung für Kurzarbeit gab.

Nun, es hatte rückblickend auch sein Gutes, die viele Zeit, die plötzlich zur Verfügung stand. So konnte ich mit meiner alten Hündin noch wertvolle gemeinsame Monate verbringen, bevor sie Anfang Januar dieses Jahres zuhause in meinen Armen verstarb. 16 ½ Jahre war Shanah bei mir, wir haben alles gemeinsam gemacht, waren so ein gutes und eingespieltes Team. Das steckt man nicht so einfach weg, wenn dieses geliebte Lebewesen nicht mehr da ist, die tiefe Trauer hat eine geraume Zeit in Anspruch genommen. Einige Tage nach Shanahs Tod war ich für fünf Wochen am Theater St. Gallen engagiert, in der dortigen „Jesus Christ Superstar“ Produktion spielte ich den Pilatus. Und dachte, Abstand von zuhause und Arbeit würden wahrscheinlich auch helfen, doch waren diese Wochen trotz oder gerade durch die Entfernung emotional ziemlich hart. Ebenso fühlte sich das Arbeiten an wie ein Verrat an der Trauerzeit, die ich dadurch zumindest zeitweise wegschieben musste. Aber es hat auch bestimmt geholfen, durch die Arbeit und Ablenkung weitergehen zu müssen und alles aktiv zu verarbeiten.

MR: Mein tiefes Mitgefühl. Jeder Mensch, der mit einem tierischen Freund an der Seite viele Jahre verbringt, kann nachfühlen, wie es Dir ergangen sein muss.

AK: Danke. Während der Corona-bedingt erzwungenen Arbeitspause war ich aber alles andere als untätig, ich brauche Struktur in meinem Alltag. Und deshalb habe ich meine Leidenschaft fürs Backen als sozusagen Lockdown-Standbein eingesetzt. In unmittelbarer Nähe meiner Wohnung in Wien am Elisabethplatz habe ich ein Bio-Café mit Backwaren und Konfiserie, das auch noch einen Gemüse-Obststand hat, entdeckt. Mir schmeckten die dort angebotenen Backwaren ganz vorzüglich, so „hausgemacht“ und ich fragte nach, wer das denn herstellt. Und erfuhr, dass drei Privatpersonen die Backwaren für das Café liefern. In Österreich ist so etwas noch möglich, hier in Deutschland aufgrund unzähliger Auflagen nicht. Nun, es kam wie es offenbar kommen musste: Ich liefere nun auch selbstgemachte Backerzeugnisse – anfangs war das nur für ca. drei Wochentage gedacht, doch entwickelte sich dann fast zu einem Fulltimejob: morgens um ca. 07:30 Uhr ging es los mit dem Backen bis kurz nach 16:00 Uhr. Begonnen habe ich damit im Oktober letzten Jahres, konnte dort auch ein bisschen meine Ideen mit einbringen, was die Struktur der Lokalität und deren Internetauftritt anbelangt, Deko, Auslagen usw. Insgeheim ist das ja schon seit Längerem ein Traum von mir, in dieser Richtung etwas zu machen – ein kleines Café, mit einer kleinen Bühne, darüber vielleicht zwei Zimmer zum Vermieten. 

Jedenfalls habe ich da jetzt nach meinem St. Gallen Engagement dieses Jahr von April bis jetzt durchgehend gebacken – oftmals acht bis neun Kuchen und Torten, Strudel, Quiches täglich. Das war eine tolle Erfahrung für mich und hat nebenbei auch in diesem Zeitraum einen gesunden Abstand und frischen neuen Blick auf die Theaterlandschaft ermöglicht.

MR: Das freut mich sehr, dass Du damit so gut durch diese theaterfreie Zeit, während der Euch Künstlern sozusagen Berufsverbot verordnet wurde, gekommen bist. Seit dieser Spielzeit bist Du als festes Ensemblemitglied nun am Münchner Gärtnerplatztheater engagiert, auf wie lange dürfen wir uns auf Dein Mitwirken im dortigen Spielbetrieb freuen?

AK: Ich habe für zwei Spielzeiten unterschrieben, bin neugierig, wie das läuft, ist für mich das erste Mal, dass ich mich für so einen langen Zeitraum von zwei Jahren fest an einem Spartenhaus wie dem Gärtnerplatztheater verpflichtet habe. In Wien gibt es derzeit keine Produktion, in der Rollen für mich vorhanden wären, bei den VBW läuft „CATS“ und „Miss Saigon. Interessant ist, dass kurz nach meiner Unterschrift für das jetzige Engagement auf einmal ständig Anrufe mit Angeboten eintrafen zu Musicalproduktionen, Sommerfestspielen und sogar einer Konzerttournee – aber man kann halt nicht alles machen – so ist das halt im Leben. Erst tut sich länger nichts, dann kommt alles auf einmal. Aber mit dem Spielplan am Gärtnerplatztheater habe ich ja ein volles und abwechslungsreiches Programm vor mir, auf das ich mich sehr freue!

MR: Liefern wir einen kurzen Überblick der kommenden Gärtnerplatzproduktionen, bei denen wir Dich auf der Bühne bewundern dürfen:

„Im weißen Rössl“: Hier bist Du ab der Wiederaufnahmepremiere am 19. September 2021 als Sigismund Sülzheimer zu sehen in diesem liebenswerten Spektakel.

AK: Oh ja, das macht sehr viel Spaß, freue mich auch darüber, dass ich mit Florine Schnitzel, wir kennen uns schon lange, diese Paarung Sigismund & Klärchen spielen darf.

Copyright: Armin Kahl

MR: Einen Monat später, am 21. Oktober 2021, folgt dann die Wiederaufnahmepremiere von „Priscilla, Queen of the Desert“, mit Abenteuern im australischen Outback:

Und dann steigst Du am 01. Dezember 2021 in die Operette „Der Vetter aus Dingsda“ mit ein. Welche Rolle verkörperst Du dort?

AK: Das ist Roderich de Weert, der „zweite Fremde“, also die ursprüngliche Jugendliebe der Julia. Das wird auch nochmal eine „neue“ Erfahrung, in die Operettenwelt tiefer einzusteigen. Das letzte Mal, als ich Operette gespielt habe, ist ca. zehn Jahre her.

MR: Dann geht es wenige Tage später, bereits am 10. Dezember 2021, erneut weiter mit der preisgekrönten Eigenproduktion „Drei Männer im Schnee“, passend zur Jahreszeit gibt es dann wieder ein höchst amüsantes feuchtfröhliches Durcheinander im Grand Hotel Bruckbeuren, worauf sich bestimmt schon viele Gärtnerplatztheaterbesucher freuen.

AK: Ich freue mich auch darauf. Über die Auszeichnung als bester Musicaldarsteller, die mir 2019 für die Rolle des Dr. Fritz Hagedorn verliehen wurde, bin ich sehr stolz und freue mich natürlich, dass dieses Stück so gut beim Publikum ankommt und es somit wieder auf dem Spielplan steht. Es ist halt wirklich ein wunderschöner leichter und sehr amüsanter Theaterabend. Und das noch dazu mit viel Schnee auf der Bühne!

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MR: Und dann *tusch* folgt am 7. Juli nächsten Jahres ein Knaller: Das Gärtnerplatztheater hat sich die Rechte an der europäischen Erstaufführung des Musicals „Tootsie“ gesichert. Wer kennt den großartigen Film mit Dustin Hoffman nicht. Und Du spielst die Hauptrolle des Darstellers Michael Dorsay, der schon lange kein Engagement mehr ergattern konnte und in seiner Verzweiflung als Frau verkleidet „Dorothy Michaels“ zu einem Broadway Casting geht und prompt nicht nur die ausgeschriebene Rolle bekommt, sondern damit einen veritablen Erfolg auf die Bretter legt und sich dabei auch noch Hals über Kopf in seine Bühnenpartnerin verknallt!  Gratulation zu diesem Rollenangebot, lieber Armin!

AK: Herzlichen Dank! Darauf freue ich mich unglaublich. Auch wenn es bestimmt ein hartes Stück Arbeit wird, doch nach den letzten eineinhalb Jahren ist ein solcher Ansporn unglaublich motivierend und beflügelnd. Für diese Rolle gibt es stimmliche Herausforderungen, da zwei unterschiedliche Stimmlagen Mann/Frau zu bedienen sind. Michaels Partie ist ursprünglich ein Bariton, die tendenziell mit einem guten und stärkeren kernigeren Falsett versehen ist, im Gegensatz zu vielen Tenören. Ich arbeite seit ein paar Wochen schon an der Partie und nähere mich so Schritt für Schritt an. Das wird eine großartige Produktion, Gil Mehmert als Regisseur macht da bestimmt etwas Besonderes daraus, und der von mir ebenso hochgeschätzte Adam Cooper, mit dem ich bereits mehrmals am Gärtnerplatztheater arbeiten durfte, choreographiert. Es ist wirklich ein Coup, dass sich das Gärtnerplatztheater die Rechte an diesem Stück sichern konnte, dessen Uraufführung gerade mal erst 2019 am Broadway gefeiert wurde. Im Gegensatz zum Film, in welchem „Dorothy“ am Casting für eine TV-Soap teilnimmt, ist dies im Musical das Casting zu einem Broadway-Musical. Daher gibt es in der Musicalversion viele mitreißende Shownummern, viele lustige Gags, aber es wird ebenso die zeitgemäße Frage über das Standing von Frau und Mann in Arbeitswelt und Gesellschaft behandelt. Also nicht nur ein Comedy Musical, sondern auch ein Stück mit Tiefgang.

MR: Du kennst München ja gut, aus Deiner Studienzeit damals an der August Everding Akademie und durch Deine vielen Gastsolistenrollen in den letzten Jahren am Gärtnerplatztheater. Hast Du für die nächsten zwei Jahre eine eigene Wohnung in München?

AK: Ja, München ist mir sehr vertraut. Ich habe das Glück, dass ich bei einem guten Freund ein Zimmer in dessen Wohnung anmieten konnte, die praktischerweise gleich beim Theater liegt. Insofern falle ich zweimal um und bin im Theater, besser kann’s gar nicht sein. Meine Wohnung in Wien behalte ich weiterhin, denn Wien ist und bleibt irgendwie mein zentraler Fixpunkt. Meine Eltern in Franken freuen sich aber sehr darüber, dass ich jetzt für einige Zeit oft in greifbarer Nähe bin, sie werden nach München kommen, um mich spielen zu sehen, und ich kann an meinen freien Tagen einen Abstecher in mein Elternhaus machen.

MR: Welche weiteren Pläne hast Du noch, neben Deinem vielfältigen Wirken am Gärtnerplatztheater?

AK: Im ersten Halbjahr 2022 spiele ich erneut für ein paar Wochen in der Wiederaufnahme von „Jesus Christ Superstar“ in St. Gallen.

Dann möchte ich das Projekt einer Solo CD weiterverfolgen. Ein, zwei Songs dazu habe ich Ende letzten Jahres vorangebracht, aber noch nicht fertiggestellt. Als ich Weihnachten damit richtig durchstarten wollte, ging das nicht, weil meine kranke Hündin meine ganze Kraft benötigte. Emotional war danach so eine Leere, da war keinerlei kreativer Antrieb mehr vorhanden. Jetzt möchte ich in nächster Zeit weiter daran arbeiten.

Die Planung an zwei, drei Konzerten steht ebenfalls an. Am 7. Januar 2022 wird es ein Konzert mit Peter Stassen in Füssen geben (mehr dazu in den nächsten Wochen). Gerne möchte ich noch einmal im Münchner Hofspielhaus, in diesem schönen, intimen Rahmen, das Programm vom Oktober letzten Jahres oder leicht abgewandelt machen. Denn wenn ich eh schon in München bin, dann bietet sich das an.

Seit ein paar Jahren bin ich in einer Agentur für Werbung gelistet, hab jedoch in der Vergangenheit aufgrund von Zeitmangel meine Aktivitäten in dieser Hinsicht etwas schleifen lassen. Die Agentur vermittelt auch viel in München, so dass ich dies jetzt vielleicht besser organisieren kann – mal schauen, ob sich da was ergibt, wäre schön.

MR: Also da hast Du ja Einiges vor, für die erfolgreiche Umsetzung wünsche ich viel Erfolg, bedanke mich für das sehr nette Gespräch und bin gespannt auf all das, womit Du uns auf der Bühne und vielleicht auch darüber hinaus erfreuen wirst. Alles Gute!

Silvia E. Loske, September 2021

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