ANYTHING GOES – Premiere München 28.2.2013

 

Leinen los – für Entertainment vom Feinsten!

Die aberwitzige Story spielt in den 30-er Jahren auf dem Luxusliner M.S. America. Auf selbigem checkt ein Häufchen völlig schräger Vögel ein, um sich von New York nach London zu begeben.

Da ist der neureiche Elisha Whitney, der seinem Assistenten Billy Crocker eben noch vor Besteigen des Dampfers Anweisungen gibt, bestimmte Aktien schnell loszuschlagen. Während dieser Instruktion kreuzt die reife Mrs Harcourt auf, eine alte Flamme von Elisha, samt Töchterchen Hope – in diese wiederum hat sich Billy vor kurzem schwerst verguckt. Dummerweise haben die beiden Damen noch einen überaus schrulligen englischen Adeligen namens Lord Evelyn Oakleigh im Schlepptau und es stellt sich heraus, dass Hope diesen in Knickerbocker und Schottenkaro gehüllten Snob in London ehelichen wird. Was Billy kurzerhand dazu veranlasst, seinerseits Aktien Aktien sein zu lassen und als blinder Passagier auf dem Dampfer mitzufahren, um eben selbige Hochzeit zu verhindern.

Als dann noch aus zwei großen Überseekoffern Gangsterliebchen Erma und Moonface Martin, letzterer als Priester verkleidet, entsteigen, ahnt man in etwa, was auf einen zukommt in den nächsten guten zwei Stunden: Slapstick vom Feinsten.

Der mondäne Nachtclubstar Reno Sweeney samt ihrer Angel-Entourage entert ebenfalls noch das Schiff, sie trifft Billy und macht sich Hoffnungen, dass ihre kürzliche Liasion mit ihm etwas Festeres wird, diese Erwartung macht Billy jedoch treu dreinblickend sofort zunichte als er gesteht, dass Hope seine Traumfrau sei.

Haufenweise herumwuselnde Matrosen, ein leicht den Überblick verlierender Steward, der rundliche Kapitän und noch zwei halbseidene Chinesen vervollkommnen das Durcheinander auf dem Schiff. Ach ja, das Schiff… ein überaus opulenter und raumgreifender Luxusliner, der mittels der Drehbühne stets verschiedene Auf- und Abgänge zwischen den Decks und den zahlreichen Kabinentüren ermöglicht, bildet den Mittelpunkt des Geschehens. Gelungene Projektionen an den Seitenwänden rechts und links der Bühne sorgen zusätzlich für das richtige Kreuzfahrt-Feeling mit Wellen, Sternenhimmel und dergleichen.

Die Kostüme sind farbenfroh und passend im Style der 30-er Jahre gehalten.

Das üppig besetzte und famos aufspielende Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz unter dem schwungvollen Dirigat von Michael Brandstätter, welchem man – in eine Kapitänsuniform gewandet – sichtlich den Spaß an seinem Job anmerkt, swingt sich durch die bekannten Ohrwürmer Cole Porters wie It’s de-lovely, Night & Day, You’re the Top, I get a Kick out of you und natürlich dem Showstopper zum Finale des ersten Aktes mit allen Beteiligten auf der Bühne, Anything Goes. Die Songs wurden in Englisch belassen, ist auch gut so, da sicher in einer deutschen Übersetzung der Wortwitz Cole Porters auf der Strecke geblieben wäre.

Die Darstellerriege kann nur als optimal besetzt bezeichnet werden. Mit Anna Montanaro in der Hauptrolle der Reno Sweeney hat man sich eine Künstlerin geangelt, die als eine von bislang nur drei deutschen Darstellerinnen (nach Hildegard Knef und Ute Lemper) es überhaupt geschafft hat, am Broadway aufzutreten, und dementsprechend über Star Appeal verfügt. Ihre Gesangs- und Tanzeinlagen lassen einen wie gebannt auf die Bühne starren. Voller Elan schlägt sie sogar mitten im Song ein Rad auf den Knien den sitzenden und staunenden Billy Crocker. Ihren Charakter der Reno Sweeney legt Frau Montanaro zwar mit der nötigen mondänen Verruchtheit an, aber auch die verständnisvoll-lebenserfahrene Seite der Reno kommt dabei nicht zu kurz. Sie ist wohl die einzige, die in diesem Dampfer-Tollhaus den Überblick behält und geschickt die Fäden spinnt, damit am Ende dann auch wirklich jeder Eimer sein passendes Deckelchen abbekommt.

Die männliche Hauptrolle des Billy Crocker wird von Daniel Prohaska besetzt. Er schafft es, dass man mit ihm mitleidet bei den ausufernden Verwirrungs-, Verwechslungs- und vor allem Verkleidungserfordernissen, bis er endlich seine geliebte Hope bekommt. Mit geschmeidigem Tenor weiß er für sich einzunehmen, tanzt vorzüglich und agiert vor allem punktgenau, was in einer Screwball-Komödie unerlässlich ist.

Permanente Angriffe auf die Lachmuskeln – dafür sind drei Darsteller zuständig: Boris Pfeifer in der Rolle des anfangs als Priester verkleideten und sich um Kopf und Kragen redenden Schmalspurgangsters Moonface Martin ist einfach nur köstlich! Mit irrwitzigem Tempo pfeffert er einen Gag nach dem anderen auf die Bretter, dass man nachgeradezu Mühe hat, allem zu folgen. An seiner Seite als enervierendes aber letztlich cleveres Gangsterliebchen Erma setzt Sigrid Hauser den weiblichen Kontrapunkt mit herrlicher Komik.

Der spleenige Lord Evelyn Oakleigh wird von Hannes Muik – sagen wir mal so! – höchst amüsant interpretiert. Wie er sich nicht-verstehend-stolpernd durch den amerikanischen Slang wühlt, ist sehens- und hörenswert. Bei seinem Solo im zweiten Akt, The Gypsy in me, kommt man aus dem Grinsen gar nicht mehr raus.

Dagmar Hellberg alias Evangeline Harcourt kommt im ersten Akt als typisch amerikanisch oberflächliche Upperclass-Mutter daher, die nur eins im Sinn hat, nämlich ihre Tochter bestmöglich zu verheiraten. Naiv-weltfremd schnappt sie einen Gesprächsfetzen auf und löst daraufhin Untergangs-Alarm aus, was zu kopflosem Hin- und Hergerenne mit umgehängten Rettungsreifen von Passagieren und Mannschaft führt. Im zweiten Akt jedoch befreit sie sich von ihren gesellschaftlichen Zwängen, besinnt sich auf ihre eigenen Bedürfnisse und räumt mit geballter Senioren-Erotik bei Let’s do it so richtig ab. Ihr „Opfer“ ist ihr früherer Liebhaber Elisha Whitney, der ihr erneut hoffnungslos verfällt. In dieser Rolle macht Erwin Windegger gute Figur, und auch sonst sorgt er für einige Lacher, wenn er als brillenberaubter (Moonface hat sie ihm geklaut) und dieserhalb seh-untüchtiger Millionär durch die Szenerie tappt.

Als Evangelines Schoßhündchen hat ein knopfäugiger Shih Tzu in der Rolle des Benjamin Franklin seinen großen Auftritt auf dem Arm seines Bühnenfrauchens. Völlig unbeeindruckt und ziemlich cool nimmt der Kleine die Entzückensbekundungen des Publikums zur Kenntnis.

Bleibt noch Milica Jovanovic in der Rolle des zu verheiratenden Töchterchens Hope zu erwähnen. Mit jungmädchenhaftem Charme und klarem Sopran bezaubert sie Schiffsinsassen und Publikum.

Als stimmgewaltiger Kapitän füllt Previn Moore das große Zelt des Deutschen Theaters mit seinem gewaltigen Organ.

In großen Shownummern tummeln sich Tänzer, Statisten und die komplette übrige Cast auf der Bühne und tanzen und vor allem auch steppen auf Teufel komm raus. Eine enorme Leistung der Choreographie (Ricarda Regina Ludigkeit), mehr als 40 Personen synchron auf Trab zu bringen.

Das Lichtdesign ist perfekt, die Soundaussteuerung stellt manchmal das Orchester zu sehr in den Vordergrund, so dass die Gesangsstimmen leicht in den Hintergrund geraten.

Staatstheater Intendant Josef E. Köpplinger inszeniert das Stück enorm temporeich mit exaktem Gespür für Timing. Die Pointen sitzen punktgenau und nahezu überbordend, das Ganze ist ein Heidenspaß!

Das Premierenpublikum, bestückt mit einigen lokalen Celebrities, zeigte sich von der Show begeistert.

Fazit:

Es wurde höchste Zeit für die Münchner Erstaufführung von „Anything Goes“ – lang hat’s gedauert. Wer einen sehr unterhaltsamen Abend auf höchstem Showniveau perfekt inszeniert erleben will, der möge sich tunlichst aufmachen ins Deutsche Theater nach Fröttmaning – dort wird all das geboten.

„Anything Goes“ läuft dort noch bis zum 22. März 2013.

Termine und Tickets unter www.gaertnerplatztheater.de

(rab, März 2013)

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Fotocredit: Staatstheater am Gärtnerplatz und Musical Reviews

Produktion des Staatstheaters am Gärtnerplatz, München 

Musik und Liedtexte

Cole Porter

Buch

Guy Bolton, P.G. Wodehouse, Howard Lindsay, Russel Crouse

Regie und Licht

Josef A. Köpplinger

Musikalische Leitung

Michael Brandstätter

Choreographie

Ricarda Regina Ludigkeit

Bühne und Kostüme

Rainer Sinell (nach Enwürfen von Heidrun Schmelzer)

Dramaturgie

Michael Otto

Choreinstudierung

Jörn Hinnerk Andresen

Projektionen

Raphael Kurig, Thomas Mahnecke

 

 

Darsteller:

 

Reno Sweeney

Anna Montanaro

Billy Crocker

Daniel Prohaska

Elisha Whitney

Erwin Windegger

Evangeline Harcourt

Dagmar Hellberg

Hope Harcourt

Milica Jovanovic

Lord Evelyn Oakleigh

Hannes Muik

Moonface Martin

Boris Pfeifer

Erma

Sigrid Hauser

Kapitän

Previn Moore

Steward

Frank Berg

1. Matrose

Alexander Moitzi

Reporter, 2. Matrose

Christoph Graf

Reverend Henry Swiss Dobson, 3. Matr.

Maurice Klemm

4. Matrose

Nicola Gravante

Chinese Luke, 5. Matrose

Stefan Bischoff

Chisese John, 6. Matrose

Christian Schleinzer

Angels:

Susanne Seimel, Katharina Lochmann, Kenia Bernal Gonzalez, Stephanie Signer

Frieda

Ulrike Dostal

Benjamin Franklin, Hund

Chuseok

Sowie Chor, Ballett und Statisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz, Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz