DIE PÄPSTIN – München 2013

Die Päpstin Prem. München 21.09.2013 045.a

Premiere München 21.09.2013

Für eine Woche, vom 21. bis 29. September 2013, war das im Juni 2011 in Fulda uraufgeführte und dort seitdem jeweils in den Sommermonaten mit enormem Erfolg gelaufene Musical nach dem Weltbestseller von Donna W. Cross im wunderschönen Münchner Prinzregententheater zu Gast.

Der Mut der jungen Produzenten der Spotlight Musicalproduktion, Peter Scholz und Dennis Martin (Letzterer auch verantwortlich zeichnend für Buch und Musik), die Rechte an diesem Stoff zu erwerben und ein Musical daraus zu kreieren, wurde belohnt. Es ist ein dichtes, packendes, mit prallem Leben gefülltes knapp dreistündiges Werk entstanden, das neben seiner gelungenen theatralen Umsetzung vor allem kompositorisch mit einer Fülle von überaus eingängigen, mit klugen Texten versehenen Songs, angesiedelt zwischen Pop und Ballade und wohldosiert häppchenweise mit sakralen Chören versehen, überzeugt. Mindestens fünf bis sechs Nummern mit ausgesprochenem Hit-Potenzial befinden sich in der Partitur, dies ist umso bemerkenswerter, als sich heutzutage die meisten neueren Musicals abmühen, wenigstens ein Lied mit zumindest Wiedererkennungswert in der Show zu haben.

Leider kommt die Musik aus der Konserve, dies schmälert das Live-Erlebnis schon etwas – ein Orchester mit lebendiger Musik ist einfach nicht zu ersetzen. Teilweise knackte es ziemlich und die Aussteuerung war zu laut im Verhältnis zu den Sängern.

Die Geschichte des Stücks ist den meisten sicherlich bekannt: Im neunten Jahrhundert wird im Frankenlande die kleine Johanna als Tochter einer verschleppten Heidin und eines despotischen Dorfpfarrers geboren. Früh zeigt sich, dass das kleine Mädchen über einen sehr aufgeweckten Intellekt und große Wissbegierde verfügt, ein Umstand, der zur damaligen Zeit bei Mädchen als widernatürlich und schlichtweg als verboten gesehen wurde. Heimlich lernt Johanna schreiben und lesen, wird, als dies vom Vater entdeckt wird, von diesem schwerst misshandelt und fristet ein unglückliches Dasein, bis sie durch diverse Fügungen die Chance erhält, an einer Domschule als einziges Mädchen aufgenommen und ausgebildet zu werden. In dieser Zeit findet sie Aufnahme und Schutz bei dem Markgrafen Gerold, der ihre große Liebe werden wird.

Johannas Weg führt sie nach einem schrecklichen Gemetzel der Normannen, aus dem sie als einzige Überlebende hervorgeht, als Mönch verkleidet in ein Kloster in Fulda, wo sie unerkannt als Mann getarnt ihre wissenschaftlichen Studien fortsetzen kann und sich insbesondere in medizinischer Heilkunst große Kenntnisse aneignet. Um einer bevorstehenden Enttarnung durch die Klosterbrüder zu entgehen, flieht Johanna, die sich jetzt Johannes Anglicus nennt, aus dem Kloster und schließt sich einer Pilgergruppe an, die nach Rom unterwegs ist. In der heiligen Stadt breitet sich alsbald ihr Ruf aus, ein hervorragender Medicus zu sein – dies kommt auch den Verantwortlichen des Lateran, der herrschaftlichen Behausung des Papstes, zu Ohren. Der Papst liegt krank darnieder, keiner der üblichen Quacksalber kann ihm helfen, da schickt man nach Johannes Anglicus. Johanna heilt den Papst und wird zu dessen rechter Hand im Vatikan – sehr zum Mißfallen des Kardinals Anastasius, der sie fortan mit Hass verfolgt.

Durch ein Komplott wird der Papst vergiftet, während Kaiser Lothar mit seinem Gefolge in Rom weilt und ein Disput mit dem Papst zur Klärung ansteht. In des Kaisers Gefolge als Heerführer ist auch Markgraf Gerold, er und Johanna finden sich wieder und werden heimlich ein Paar. Das Volk wählt völlig überraschend Johannes Anglicus als neuen Papst, Gerold erkennt die Gefahr für Johannes Leben und beschwört sie, das Amt nicht anzutreten und mit ihm zu fliehen. Doch Johanna will endlich Gutes tun und erwirkt zahlreiche Verbesserungen für das Volk. Als Johanna Gerold gesteht, dass sie schwanger ist, erkennen die Liebenden, dass sie fliehen müssen. Johanna will nur noch die bevorstehende Osterprozession leiten. Doch die Ereignisse überschlagen sich dramatisch – während der Osterprozession wird Gerold vom intriganten Anastasius erstochen und Johanna erleidet durch diesen Schock auf den Stufen des Petersdoms, vor den Augen von ganz Rom, eine Fehlgeburt und stirbt daran. Anastasius’ letzte Rache an Johanna ist, dass er in der von ihm verfassten Chronik der Päpste das Kapitel der Päpstin Johanna, die vom Volk liebevoll Papa Populi genannt wurde, unterschlägt.

Viel Stoff, um dies in einem Musical unterzubringen. Doch es ist rundum gelungen, unter anderem dank eines opulenten Bühnenbildes – die Drehbühne entführt das Publikum von der kleinen ärmlichen Hütte, in der Johanna aufwächst, über das Klassenzimmer der Klosterschule, den farbenfrohen Jahrmarkt von St. Denis bis hin zum opulenten Lateranpalast – an alle erforderlichen Orte. Die Kostümabteilung hat ebenfalls ganze Arbeit geleistet und hüllt die Darsteller in detailreich ausgestattete mittelalterliche Gewänder aus Leinen und in prächtige, kostbare Stoffe für die Togen der Römer. Ein kleiner Fauxpas, der einen schmunzeln ließ, war das Brautkleid von Johanna, dessen sie sich mittels Reißverschluss nach dem Normannenangriff entledigt, um fortan als Mann verkleidet durchs Leben zu gehen.

Das Lichtdesign macht seine Sache ebenfalls gut, stückgemäß spielt sich so einiges im mystischen Halbdunkel ab, wohingegen das ausschweifende Leben in Rom sich hell erleuchtet zeigt.

Kommen wir zu den Darstellern:

In der sowohl schauspielerisch als auch stimmlich überaus anspruchsvollen Hauptrolle der Johanna weiß Sabrina Weckerlin uneingeschränkt für sich einzunehmen und zu begeistern. Bereits vor drei Jahren spielte sie die Uraufführung und hat seitdem kontinuierlich ihren Spielcharakter weiterentwickelt und sozusagen verinnerlicht. Eine grandiose stimmliche Leistung zeigt sie insbesondere bei ihren Hymnen Einsames Gewand, Wer bin ich, Gott und im berührenden Duett mit ihrem männlichen Spielpartner bei Wehrlos.

Als kleine Johanna sehen wir bei der besagten Premiere in der vor allem textlich herausfordernden Rolle mit den zahlreichen lateinischen Passagen Matilda Martin, die ihren Part zum Entzücken des Publikums wie eine Große bewältigt.

Als Markgraf Gerold, ebenfalls bereits seit drei Jahren in dieser Rolle besetzt, erleben wir den schwedischen Musicalstar Mathias Edenborn. Groß, männlich-attraktiv und mit einem für seine Gesangsparts optimal passenden warmen Tenor ausgestattet sowie mit einfühlsamem Spiel ist nachvollziehbar, weshalb sich Johanna in ihn verliebt hat. Sein Ohrwurm-Solo Ein Traum ohne Anfang und Ende ist eins der schönsten Lieder des Stücks und einfach nur wunderschön von Mathias Edenborn interpretiert.

Grandseigneur Claus Dam überzeugt auf ganzer Linie als gutherziger Förderer und Vertrauter Johannas, Aeskulapius, und ist darüber hinaus auch als partieller Erzähler der Geschichte ein Sympathieträger.

Als die intriganten Antagonisten des Stücks füllen Lutz Standop als fieser, von Ehrgeiz zerfressener Anastasius und Andrea Pagani als dessen Vater Arsenius ihre Charaktere mit starken Stimmen und ausdrucksvollem Spiel aus.

Johannas Eltern werden von Anke Fiedler (in einer Doppelrolle, sowohl als Gudrun wie auch als Kurtisane Marioza ganz vorzüglich!) und Bruno Grassini, den man in seiner Maske, die irgendwie an Catweazle erinnert, überhaupt nicht erkennt, dargestellt. Erst als Bruno Grassini zornig vom Wechselbalg zu singen beginnt, erkennt man diese starke Stimme als ihm zugehörig. Anke Fiedler setzt zwei große gesangliche Ausrufezeichen – im zweiten Akt als Kurtisane Marioza in der großen Revuenummer Die Cäsarin von Rom und insbesondere gleich zu Beginn des ersten Aktes als Johannas Mutter Gudrun. Dort interpretiert sie eins der stärksten Stücke der Show, das sehr eingängige Boten der Nacht. Hierzu erscheinen atmosphärisch gelungen auch die beiden Raben-Götterboten Hugin und Munin und sorgen mit ansprechender Choreographie für Mystik. Die optische Assoziation mit den Todesengeln aus „Elisabeth“ stellt sich unmittelbar ein. Die klugen Lyrics aus Boten der Nacht erinnern partiell ebenfalls an ein anderes Musical, nämlich „Ludwig2“. Dort heißt es in der Arie des Schattenmanns: „Schatten auf des Königs Palästen, wie Raben, wie Boten der Nacht“ – diese Arie sang seinerzeit in Füssen Bruno Grassini – so schließt sich der Kreis zur „Päpstin“ wieder…

Noch besonders hervorzuheben ist Dietmar Ziegler, der ebenfalls in einer Doppelrolle sowohl als sinnenfroher Bischof Fulgentius als auch als weiser Abt Rabanus zu erleben ist. Mit Hinter hohen Klostermauern darf er einen weiteren Hit der Show stimmgewaltig präsentieren und erntet dafür großen Applaus.

Das spielfreudige Ensemble ist stark gefordert und in vielfältigsten Rollen fast ständig präsent – mit sehr guten gesanglichen Leistungen und einer zwar nichtn explizit innovativen aber passenden Choreographie (Julia Poulet) trägt das Ensemble in großem Maße die Show.

Das Münchner Publikum zeigte sich sehr begeistert vom Stück und feierte Darsteller und Kreative ausgiebig.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass es eine Freude ist, dass sich Spotlight als kleinere Produktionsfirma ambitioniert und mit offensichtlich viel Herzblut dieses Stoffes angenommen und damit in der Musicalbranche nicht nur für Aufsehen gesorgt, sondern einen richtigen Hit geliefert hat, bei dem keine Sekunde Langeweile aufkommt und man als Zuschauer von Anfang an gebannt in das Geschehen gezogen wird. Es bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass dieser eingeschlagene Weg der jungen Produzenten, der einst mit „Elisabeth, Legende einer Heiligen“ und „Bonifatius“ begann und über die „Päpstin“ und „Friedrich“ aktuell weiterführt zu „Kolpings Traum“, noch viele weitere kreative Inszenierungen hervorbringen wird.

Weitere Informationen unter www.spotlight-musical.de

(Silvia E. Loske, September 2013)

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Musical der Spotlight Musicalproduktion, Dennis Martin (Musik, Liedtexte und Libretto), Peter Scholz und Björn Herrmann (zusätzliche Musik und Texte), Christoph Jilo (Libretto, Dramaturgie und Liedtexte), nach dem gleichnamigen Roman von Donna W. Cross,

 

Produktionsleitung

Peter Scholz

Regie

Stanislav Mosa

Choreographie

Julia Poulet

Bühnenbild

Christoph Weyers

Kostüm und Maske

Andrea Kucerova

Lichtdesign

David Kachlir

Sounddesign

Andreas Balaskas, Max Becker

Musikproduktion

Johannes Lowien

Darsteller:

 

Johanna, Päpstin

Sabrina Weckerlin

Markgraf Gerold

Mathias Edenborn

Anastasius

Lutz Standop

Arsenius

Andrea Pagani

Aeskulapius

Claus Dam

Fulgentius/Rabanus

Dietmar Ziegler

Gudrun/Marioza

Anke Fiedler

Vater

Bruno Grassini

Richild

Anna Müllerleile

Kaiser Lothar

Olaf Meyer

Kleine Johanna

Matilda Martin

Kleiner Johannes

Mark Möller

Sowie: Nadine Kühn, Yasuko Kayamori (Raben), Tamina Ciskowski, Tina Haas, Jenny Schlensker, Anna Müllerleile, Dennis Henschel, Sascha Kurth, Lars Rindelaub, Konstantin Zander, Olaf Meyer, Martin Rönnebeck, Stefan Przywara, Katharina Brehl, Kristin Heil, Jörg Alt