CHESS

Musical von Benny Andersson, Björn Ulvaeus & Tim Rice
Bühne Baden, 7. August 2025

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© Lalo Jodlbauer

Im putzigen niederösterreichischen Kurstädtchen Baden, unweit von Wien in prächtiger Landschaft im Waldviertel gelegen mit historischen Bezügen (Mozart, Beethoven, Liszt wirkten hier kreativ), gibt es die renommierte Bühne Baden. Welche ab der kommenden Spielzeit September 2025 mit Andreas Gergen einen sehr namhaften neuen Intendanten bekommt. Bereits vor Antritt seiner Intendanz inszenierte dieser für die Sommerproduktion der Bühne Baden das 1986 uraufgeführte, von den ABBA-Machern Benny Andersson & Björn Ulveaus zusammen mit dem langjährigen Webber-Librettisten Tim Rice kreierte Musical CHESS.

Die Handlung dreht sich um drei Hauptfiguren: Die aus Ungarn stammende Florency Vassy, welche die Geliebte und Managerin des amerikanischen Schach-Großmeisters, Frederick Trumper ist

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und den sowjetischen Schach-Großmeister Anatoly Sergievsky.

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Flankiert werden diese drei Hauptfiguren von den beiden Anführern der jeweiligen amerikanischen (Walter de Courcey) und sowjetischen Delegation (Alexander Molokov) und dem Referee des internationalen Schachturniers, bei dem die beiden gegensätzlichen Großmeister aufeinandertreffen. Und Anatolys russischer Ehefrau Svetlana.

Zeitlich angesiedelt ist die Handlung während des Kalten Krieges zwischen den beiden Supermächten, mit riesiger weltweiter medialer Aufmerksamkeit zu der legendären Schachweltmeisterschaft. Man findet natürlich Bezüge zu dem tatsächlich 1972 als Match des Jahrhunderts bezeichneten Zweikampf zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski im isländischen Reykjavik.

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Die Story weicht in den diversen Aufführungen am Broadway, am West End und weiteren Orten stark voneinander ab. Einmal wird nur ein Turnier in den Mittelpunkt gerückt, bei anderen Inszenierungen zwei (Meran und Bangkok). Andersson & Ulvaeus haben an diesem Musical in einer Zeitspanne von ca. 20 Jahren gearbeitet und es im Verlauf immer wieder verändert, angepasst, ausprobiert.

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Andreas Gergen hat für Baden die Handlung mit zwei Turnieren gewählt. Im Prolog sieht man ein kleines Mädchen mit Vater an einem Schachbrett sitzen, in Budapest. Florence und ihr Vater, der unmittelbar herausgerissen wird aufgrund des dort gerade stattfindenden Aufstands und an die Front muss, Florence wächst in der Folge in England ohne Eltern auf.

Dreissig Jahre später – Florence ist mittlerweile Geliebte und Managerin des exzentrischen amerikanischen Schachgroßmeisters Frederick „Freddy“ Trumper und reist mit diesem nach Meran zur dortigen Weltmeisterschaft.

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Gegner ist der in seinem Verhalten zurückhaltende Anatoly Sergievsky. Freddy fällt durch exaltierte flegelhafte Mätzchen auf, legt sich mit der Journaille an, kokst, wird leicht handgreiflich. Bemerkt, dass sich zwischen Florence und Anatoly eine Romanze entspinnt, verliert daraufhin die Nerven, randaliert, haut ab und der Weltmeistertitel wird Anatoly zugesprochen. Dieser ersucht danach in der amerikanischen Botschaft politisches Asyl und bleibt mit Florence im Westen.

Im Hintergrund werden die Beteiligten zu Spielbällen politischer Intrigen. Als ein Jahr später in Bangkok es zum weiteren Weltmeisterschaftsturnier kommt, ist Freddy Trumper nicht mehr aktiv als Spieler dabei (weshalb??), sondern nun als TV-Kommentator des führenden amerikanischen Senders.
Die russische Delegation setzt eine weitere menschliche Schachfigur ein, Leonid Viigand, der gegen Sergievsky gewinnen soll, um somit wieder der Sowjetunion Renommée zu bereiten.

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Alles eskaliert, die sowjetischen Strippenzieher holen Sergieskys Frau Svetlana (mit der er in Russland zwei Kinder hat) an den Veranstaltungsort, um auch über sie Druck auf Anatoly auszuüben. Angeblich ist Florences Vater in russischer Gefangenschaft noch am Leben und würde freigelassen, wenn Anatoly absichtlich das Spiel verlieren würde.

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Anatoly widersetzt sich dieser Manipulation, gewinnt die Partie und verteidigt damit seinen Weltmeistertitel. Er und Florence trennen sich trotz großer Liebe, er geht zurück nach Russland zu Frau und Kindern.

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Und es stellt sich heraus, dass wohl auch Florences Vater nicht mehr am Leben ist. Bitter erkennt Florence, dass sie und Anatoly als seelenlose Schachfiguren der Mächte im Hintergrund hin und her verschoben und benutzt wurden.
Soweit das nicht immer stringente Buch.

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Wer sich leicht ins Ohr gehende ABBA-Klänge erwartet und das im deutschsprachigen Raum selten aufgeführte Stück nicht kennt, wird sehr überrascht sein. Mit einer durchkomponierten, überaus vielseitigen Partitur aus symphonischen Melodiebögen, Pop, Rock, Folklore und großartigen Musicalballaden ist die musikalische Grundlage der Show sehr anspruchsvoll für Orchester und Solisten und wäre wohl richtiger als „Rock-Oper“ zu bezeichnen.

Es finden sich trotzdem berühmte (für das Stück eingedeutschte) Hits wie das berührende Duett von Florence und Svetlana, „I know him so well“,

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„Anthem„,

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„Pity the Child“

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„Nobody’s Side“ und „One Night in Bangkok“ – Letzteres erklingt etwas irritierend, weil beginnend in Deutsch, um dann nach der Hälfte auf Englisch fortgesetzt zu werden – besser wäre es komplett auf Englisch gewesen.

Der Ton war in der besuchten Vorstellung und – wie ich zugetragen bekam, auch in den Aufführungen zuvor – leider nicht gut ausgesteuert. Das Orchester war zu laut und hat die Gesangsstimmen übertönt. Von den gesungenen Ensemblenummern hat man phonetisch so gut wie nichts verstanden. Hier wäre dringender Handlungsbedarf der Ton-Abteilung, dies in den Griff zu bekommen.

Die Bühne besteht zum Großteil aus einer Auftürmung von grauen Steinquadern, die variabel eingesetzt werden,

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und einem einfachen Tisch zum Schachspielen. Ergänzend kommen Videoeinspielungen hinzu mit schwarz-weiß Fotografien und entsprechenden Jahreszahlen und Orten. Die Kostüme sind vorherrschend schwarz mit wenig weiß, direkte Verbindung zum Schachbrett. Die hauseigene Ballettkompagnie zeigt sich energetisch, die Ausleuchtung ist gedämpft dunkel, aber dem Plot folgend durchaus stimmig.

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Etwas fragwürdig mutet die Szene „Meran“ an, hier wird der Südtiroler Ort dargestellt mit volkstümelnd biertrinkender Bevölkerung in knallfarbigen Lack-Lederhosen. Dies ist einerseits sehr überzogen und andererseits auch nicht zutreffend, da Südtirol als Weinregion und nicht als Biermetropole bekannt ist.

Zu den Darstellenden:

Die Solistenriege ist fantastisch, bei den großen Namen nicht anders zu erwarten.
Femke Soetenga hat die Florence bereits vielfach in den letzten Jahren verkörpert und daher ist ihr diese Charakterisierung in Fleisch und Blut übergegangen, einfach nur grandios ihre sensible Darstellung und ihr gesangliches Können.

Die beiden männlichen Leads mit Drew Sarich und Mark Seibert agieren auf Augenhöhe und sind perfekt für ihre jeweiligen Rollen besetzt.

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Der rotzige Freddy Trumper ist bei Drew Sarich bestens aufgehoben. Kaugummikauend, koksend, sich rumfläzend, herumhampelnd, keinerlei Respekt zeigend zieht er alle Blicke magisch auf sich. Sogar eine Seilspringeinlage (an Rocky erinnernd) gibt er zum Besten. Gesanglich ist er wie immer eine Urgewalt auf der Bühne, nach seinem „Pity the Child“ gibt es begeisterten langanhaltenden Szenenapplaus, völlig zu Recht.

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Mark Seibert verleiht dem anfangs reduziert und sehr beherrscht agierenden Anatoly, der im zweiten Akt dann auch seine emotionale Seite zeigen darf, grandioses Format. Sein „Anthem“ zum Ende des ersten Aktes, in welchem er seine Liebe und Loyalität seinem Vaterland gegenüber artikuliert, ist einer der drei Showstopper des Abends.

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Die Rolle seiner Ehefrau Svetlana ist zwar nicht groß angelegt, doch holt Ann Mandrella alles, jeden Millimeter, heraus, stimmlich und darstellerisch, Bravo!

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In gleich zwei Rollen – als Vater Vassy und als Referee – überzeugt Reinwald Kranner.

Ebenso wie die beiden Strippenzieher Boris Pfeifer (amerikanische Delegation) und Georgji Makazaria (russische Delegation), die eiskalt manipulativ ihre Machtinteressen verfolgen.

Im schön bebilderten Programmheft vermisst man die Songfolge, dies wäre umso hilfreicher gewesen, da bislang die Songs nur im Englischen bekannt sind und man gerne sich an den deutschen Titeln orientiert hätte.

Schlussapplaus:

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Boris Pfeifer und Reinwald Kranner

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Georgij Makazaria

Fazit: Sehr zu empfehlende Inszenierung vor allem aufgrund der atemberaubenden Hauptdarsteller und der großartigen Partitur. Man hofft auf Wiederaufnahme in der neuen Spielzeit, da im Vorfeld für die aktuelle Spielserie längst alle Vorstellungen restlos ausverkauft waren.

Credit Fotos: alle Produktionsfotos: Christian Husar.
Alle Schlussapplausfotos: Petra Kornmeßer für Musical Reviews

Silvia E. Loske, August 2025

Trailer:

Musical von Benny Andersson, Björn Ulvaeus & Tim Rice
neue deutsche Textfassung von Kevin Schroeder

Kreative:
Musikalische Leitung: Victor Petrov
Inszenierung: Andreas Gergen
Bühne: Momme Hinrichs
Kostüme: Conny Lüders
Choreographie: Till Nau

Darstellende:
Florence Vassy: Femke Soetenga
Anatoly Sergievsky: Mark Seibert
Frederick Trumper: Drew Sarich
Schiedsrichter: Reinwald Kranner
Walter de Courcey: Boris Pfeifer
Alexander Molokov: Georgij Makazaria
Svetlana Sergievskaya: Ann Mandrella
sowie Beppo Binder, Anetta Szabo, Marjeta Urch, Michael Konicek, Nicole Bonner/Mimi Reiter

Orchester, Chor und Ballett der Bühne Baden