FARBENBLIND-TOUR, Jan Ammann

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„FARBENBLIND”-Tour 2014, Jan Ammann

Konzertpremiere am 23. Februar 2014 im Ebertbad Oberhausen

Mit dem Tourneeprojekt „Lampenfieber“ betrat Musicalstar Jan Ammann im Oktober 2011 erstmals musikalisches Neuland mit einem Soloprogramm. Bestand das genannte Erstlings-Soloprojekt noch aus einer Mischung aus den Musicalerfolgen des stimmgewaltigen Baritons in Verbindung mit einigen deutschen Balladen namhafter Texter und Komponisten, so nimmt das neue Tourprojekt „Farbenblind“ zwar den Faden der ersten Solotour auf, entwickelt jedoch in seinem Konzept konsequent eine ganz eigene Handschrift.

Das „Farbenblind“ Tourprogramm beinhaltet keinen einzigen Musicaltitel, sondern besteht aus zwölf Liedern des gleichnamigen, erst kurz vor Tourstart auf den Markt gekommenen Albums gleichen Titels mit persönlichem Bezug (siehe hierzu CD-Besprechung unter https://www.musical-reviews.de/2014/02/14/farbenblind-cd-jan-ammann), 14 Cover-Versionen von Pop-Blockbustern und auch weniger bekannten Titeln sowie vier Songs aus dem „Lampenfieber“-Programm. Sprich, das Programm besteht ausschließlich aus Pop, Rock, Balladen, chansonesken und auch swingenden Titeln.

Eine interessante Mixtur, die neugierig macht – jedenfalls dann, wenn man bereit ist, über den gerne zitierten Tellerrand zu gucken. Wie also funktioniert das, wenn sich ein Musicalsänger – unterstützt von den Sympathieträgern und ebenfalls mit grandiosen Stimmen ausgestatteten Sängern Michaela Schober und Andreas Bieber – auf solch musikalisches Neuland begibt? Wird er diejenigen enttäuschen, die ihn nur appodiktisch als Bariton-Ausnahmetalent mit gewaltiger Stimme lieben und akzeptieren? Oder wird er all jene begeistern können, die offen sind für einen neuen Weg, der durchaus parallel zur bestehenden Musicalkarriere möglich ist? Wird das Publikum den angestrebten Ansatz eines jeden ambitionierten Künstlers, Stagnation zu vermeiden, verstehen und seinen neuen, „anderen“ musikalischen Facetten folgen können und wollen? Sogar Granden wie Placido Domingo, Luciano Pavarotti und Montserrat Caballé wagten mit viel Spaß an der Vielfältigkeit der Musik Abstecher ins Popfach, standen z. B. gemeinsam mit Freddy Mercury auf der Bühne – also so what?

Mit all diesen offenen Fragen konfrontiert stellt sich Jan Ammann, zu Konzertbeginn sichtlich nervös, dem gespannten Premierenpublikum im ausverkauften Oberhausener Ebertbad.

Um es kurz und knackig auf den Punkt zu bringen: 500 begeisterte Konzertbesucher können sich wohl kollektiv kaum irren. Das Konzept, mit viel Herzblut in langer Vorarbeit von Sound of Music Concerts Veranstalter Andreas Luketa mit sicherem Musikgeschmack und untrüglichem Instinkt kreiert, geht voll auf.

Eine Vermutung, diese Titel könne jeder andere X-beliebige Sänger genauso singen, läuft komplett ins Leere. Denn es ist genau umgekehrt: Ein „normaler“ Popsänger geht ins Studio und nimmt Titel auf. Mit viel technischem Know-how wird dann dort abgemischt und die Stimme des Sängers entsprechend bedarfsgerecht, nun, nennen wir es mal vorsichtig, „aufgemöbelt“. Was dann häufig dazu führt, dass das Publikum ernüchtert bei Live-Auftritten erlebt, dass der betreffende Sänger doch nur über ein ziemlich durchschnittliches Stimmchen verfügt.

Zurückkommend auf Musicalsänger Jan Ammann, der in besagtem Soloprogramm mal nicht beltet und seine Schlusstöne bis zum Abwinken beeindruckend halten muss, ist die Sachlage eine ganz andere:

Er ist live einfach eine Bank. Logisch, denn er muss auf keine technischen Tricks zurückgreifen, er hat einfach durch seine fundierte klassische Ausbildung diese absolute Ausnahmestimme. Und ja – im Vergleich zur Studioaufnahme ist er mühelos in der Lage, live noch mehrere Schippen draufzulegen, was er genussvoll im „Farbenblind“-Soloprogramm auch tut, sehr zur Freude des Publikums. Das Programm ist purer Ammann, stimmgewaltiger Ammann. Völlig unverwechselbar. Egal, ob bei mitreißenden Uptempo-Nummern oder leisen, dafür umso eindringlicher wirkenden, musikalischen Geschichten.

Highlights herauszustellen, fällt daher einigermaßen schwer, ist es doch das „runde Ganze“ in seiner Gesamtheit, das als gelungenes Popkonzert überzeugt. Gleich der Opener I Drove All Night mit den drei Solisten fährt gewaltig in Füße und Hüften, stillsitzen wird in diesem Konzert zum Luxusproblem – dies setzt sich beim folgenden Farbenblind-Titelsong gleich fort.

Im Anschluss gibt es zum Beruhigen vier nachdenkliche Balladen, von denen insbesondere Du hast meine Liebe nicht verdient an Herz und Nieren geht. Die bereits aus dem „Lampenfieber“-Programm bestens bekannte Cover-Version des Wolf Maahn Hits Kind der Sterne zündet auch diesmal wieder, ebenso wie das wehmütig-sanfte Gib auf Deine Seele acht. Gefühlvoll geht es weiter mit Du bist das Licht, dem kleinen Sohn des Sängers gewidmet.

Mit der Cover-Version des U2 Hits In the Name of Love wird es wieder rockig im Ebertbad, Jan Ammann, Michaela Schober und vor allem die Konzertbesucher haben sichtlich Freude und Spaß bei dieser Rockhymne.

Michaela Schober räumt richtig ab mit dem wunderschönen Was Dir blüht und mit dem Achtziger-Jahre Welthit To France. Ein weiterer Hit von Mike Oldfield findet sich ebenfalls im Programm, Moonlight Shadow, höchst interessant interpretiert als Männerduett (Jan Ammann & Andreas Bieber) und nicht, wie ursprünglich, als reines Frauensolo.

Andreas Bieber hat sein Solohighlight Beide Seiten mit der deutschen Version des wunderbaren Joni Mitchell Hits Both Sides Now vom Ende der Sechziger Jahre, der sowohl von der inhaltlichen Aussage als auch von der musikalischen Eingängigkeit nichts an Aktualität verloren hat. Mit So kann das Leben sein erleben wir sogar einen relativ aktuellen Hit von Helene Fischer, den sich Andreas Bieber in poppigerem Arrangement zu eigen macht.

Auf holländisch (Eilanden) und sogar portugiesisch mit dem sehr anrührenden La Prima Vez zeigt Jan Ammann seine sprachliche Vielseitigkeit mit zwei Titeln, die ihm viel bedeuten.

Natürlich darf auch der Humor nicht zu kurz kommen – beim mit gehörigem Wortwitz ausgestatteten Hühnchen in Champagner und beim nicht minder amüsanten Titel  Wellness – beide Texte von Andreas Luketa – beweist Jan Ammann, dass er sehr wohl mit gehörigem Augenzwinkern (und bei Wellness in Badeschlappen und Bademantel gewandet!) humoriges Liedgut vortragen kann. Das Publikum hat immensen Spaß dabei.

Den zweiten Teil eröffnet der Sänger mit dem Titelsong des Films The Wrestler, sich selbst dabei auf der Gitarre begleitend – das Original stammt von Bruce Springsteen.

Die folgenden zwei Titel Dieses Lied und Die blinde Sängerin entstammen dem aktuellen „Farbenblind“-Album. Mit Unfinished Songs präsentiert Andreas Bieber einen weiteren Solotitel – eine bislang noch nicht so bekannte Nummer, in die man sich erst noch „hineinhören“ muss.

Mit Paris, Paris, ebenfalls vom „Farbenblind“-Album, nimmt Jan Ammann mit auf eine anrührende Geschichte im französischen Musette-Stil. Immer weiter ist ein Titel von Nena, nimmt sofort durch seine Musikalität ein.

Es folgen zwei absolute Höhepunkte des Konzerts: Zuerst erzählen Michaela Schober und Jan Ammann höchst kurzweilig die Hintergründe der bei einem Konzert kürzlich unfreiwillig komischen Begebenheiten der Performance der legendären Beatles-Nummer Hey Jude. Damit diesmal nichts mehr schiefgehen kann, haben die Sänger vorsorglich Lyrics und Noten dazu mitgebracht. Beim weltbekannten, sich oftmals wiederholenden Refrain singt das Ebertbad-Auditorium lauthals mit.

Beim dann folgenden aktuellen Chart-Hit der finnischen Superjungs von Sunrise Avenue, Lifesaver, in der Ammann-Schober-Bieber-Version, hält es niemanden mehr auf den Sitzen – zu mitreißend wird dieser Blockbuster von Band und Solisten dargeboten – Partystimmung im Ebertbad!

Niemand will akzeptieren, dass dies das Ende eines wirklich hervorragend gelungenen Konzertauftakts der „Farbenblind“-Tour sein soll. Aber ja, natürlich gibt es noch Zugaben…

Weil das mein Leben ist – ein Dankeschön-Song für die Fans. Knicklichter-Alarm, kein Wunder.

Und dann ist nochmal so richtig Party angesagt mit einem schwungvollst arrangierten Medley der Neuen Deutschen Welle aus den Achtzigern, denn ohne diese Welle – so die Erklärung – hätte der deutsche Popsong nie seinen fulminanten Durchbruch erlebt. Völlig losgelöst – wie einst Major Tom – jubelt und tanzt das Premierenpublikum.

Den Schlusspunkt unter dieses höchst bemerkenswerte Konzert setzt Jan Ammann mit einem sehr alten portugiesischen Lied wie bereits angemerkt, La Prima Vez, das im Soundtrack eines Films von Wim Wenders über Pina Bausch zu hören ist. Auch wenn man in Ermangelung der erforderlichen Sprachkenntnisse den Text nicht versteht ist doch sofort durch die anrührende Melodie klar, dass es nur um die Liebe gehen kann. Besondere Hochachtung an Guitarristo Hannes Kühn für die wehmütigen Fado-Klänge, die er virtuos seinem Instrument entlockt.

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Die siebenköpfige Band spielt wahrhaft großartig auf. Mario Stork hat die musikalische Leitung und gibt als Vollblutmusiker den mitreißenden Drive vor an Gitarre und Keyboard. Die fabelhafte Marina Komissartchik am Flügel ist fester Bestandteil aller SoM-Konzerte und ein Livekonzert ohne sie nachgerade unvorstellbar. Die Drums sind wieder bei Matthias Plewka in bewährt rhythmisch guten Händen, Christian Niehues am Bass und Hannes Kühn an der Gitarre sind ebenfalls bekannte Gesichter. Letzterer liefert vor allem bei den Pop-Blockbustern In the Name of Love, Moonlight Shadow und To France mit seinen exzellenten E-Gitarrensoli pures Gänsehautfeeling. Neu dabei sind diesmal Heinz Hox am Akkordeon und Keyboard sowie Astrid Nägele am Cello – beide Musiker tragen mit ihren Instrumenten zum unverwechselbaren Sound des Konzertabends bei.

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Das Lichtdesign ist wie gewohnt sehr stimmig, der Ton ist gut ausgesteuert – natürlich ist es etwas lauter, als wenn im Vergleich lediglich eine Flügel-Begleitung dabei wäre, aber – nicht vergessen: Es ist ein Popkonzert!

Fazit: Hingehen, mitreißen lassen, staunen!

Tickets für weitere FARBENBLIND-Konzerte erhältlich bei www.soundofmusic.de

28. Februar Filharmonie, Filderstadt
02. März Grillo, Essen
05. März Admiralspalast, Berlin
15. März Filharmonie, Filderstadt
29. März Gruenspan, Hamburg

(Silvia E. Loske, Februar 2014)

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Fotocredits: B.S., R.E. und Silvia E. Loske

SONGLIST

MUSIKTITEL INTERPRET/-IN
Teil 1  
I Drove All Night Jan Ammann, Michaela Schober, Andreas Bieber
Farbenblind Jan Ammann
Horizont Jan Ammann
Du hast meine Liebe nicht verdient Jan Ammann
I Remember L.A. Jan Ammann
So kann das Leben sein Andreas Bieber
Kind der Sterne Jan Ammann, Andreas Bieber
Gib auf Deine Seele acht Jan Ammann
Du bist das Licht Jan Ammann
In the Name of Love Jan Ammann, Michaela Schober
Was Dir blüht Michaela Schober
Eilanden Jan Ammann
Hühnchen in Champagner Jan Ammann
Mann im Spiegel Jan Ammann
Kleine Helden Jan Ammann, Andreas Bieber, Michaela Schober
Teil 2  
The Wrestler Jan Ammann
Dieses Lied Jan Ammann
Die blinde Sängerin Jan Ammann
Unfinished Songs Andreas Bieber
Wellness Jan Ammann
Er spricht mit seinem Engel Jan Ammann
To France Michaela Schober
Paris, Paris Jan Ammann
Moonlight Shadow Jan Ammann, Andreas Bieber
Beide Seiten Andreas Bieber
Immer weiter Jan Ammann
Hey Jude Jan Ammann, Michaela Schober
Lifesaver Jan Ammann, Michaela Schober, Andreas Bieber
Zugaben:  
Weil das mein Leben ist Jan Ammann
Medley Neue Deutsche Welle:
Da, Da, Da, Ich steh auf Berlin, Blaue Augen, Skandal im Sperrbezirk, Major Tom, Sternenhimmel, 99 Luftballons, Irgendwie – irgendwo – irgendwann.
Jan Ammann, Michaela Schober, Andreas Bieber
La Prima Vez Jan Ammann