CINDERELLA – Premiere Gärtnerplatztheater München

Cinderella München Prem. 17.1.15 004.aProduktion des Gärtnerplatztheaters, Münchner Erstaufführung in der Reithalle am 17.1.2015

Beste Unterhaltung für die ganze Familie!

Als Familienmusical „für Kinder von 7 bis 107“ wurde die neueste Produktion des engagierten Teams des Gärtnerplatztheaters angekündigt. Und schon beim Betreten der Münchner Reithalle umfängt nicht nur Kinder, sondern auch die Erwachsenen ein zauberhafter Sternenhimmel im Foyer und schafft bereits so eine erwartungsfrohe Märchen-Atmosphäre.

Erfreulicherweise hat sich in puncto Bequemlichkeit im Zuschauerraum der Reithalle etwas getan: Die unangenehmen Plastiksitzschalen wurden mittlerweile gegen normale Stühle ausgetauscht. Solchermaßen sitzplatzoptimiert konnte es eigentlich losgehen…

Nanu – von der rechten Seitenbühne kommt im Gänsemarsch mit fröhlichem „hey-ho, hey-ho“ als Zwerge mit Wichtelmütze, Bärten und karierten Hemden ausstaffiert eine Gruppe und steuert zielsicher den Orchestergraben an. Aha! Kurzzeitig denkt man schon, im falschen Märchen gelandet zu sein, doch es stellt sich schnell heraus, dass es weit mehr als „Sieben Zwerge“ sind, nämlich zwölf Musiker an der Zahl. Diese begleiteten fortan mit wohldosiertem Drive unter dem Dirigat von Jürgen Goriup durch die ohne Pause durchgespielte, kurzweilige 80-minütige Aufführung.

Vor knapp 25 Jahren kam das Märchen, erfrischend entstaubt und mit vielen liebevollen Charakterzeichnungen versehen, als Musical in Regensburg – übrigens auch in der Regie von Josef E. Köpplinger – zur Uraufführung. Der Kabarettist und Liedermacher Thomas Pigor schuf Buch und Partitur zu der bekannten Geschichte um das Aschenputtel, die bewährten Kreativen des Gärtnerplatztheaters machten daraus jetzt eine wunderbar unterhaltsame Bühnenversion, die sowohl der Phantasie der Kinder gerecht wird als auch durch viele mit leichter Hand eingearbeitete Details mit durchaus auch aktuellen Bezügen die erwachsenen Zuschauer permanent zum Schmunzeln bringt. Dass dabei gerade nicht das Ursprungswerk der Gebrüder Grimm eins zu eins auf die Bühne gebracht wird, macht den eigenen Charme dieser Inszenierung aus.

Der pomadige Haushofmeister eröffnet eine Audienz bei „König Karlheinz der Große“, der eben alles andere als eben dies ist, sondern sehr kleinwüchsig. Beim Anblick des Darstellers im Königskostüm tun einem automatisch die Knie weh – steht und geht doch der Künstler bei all seinen Auftritten auf eben genau diesen (dieser Kniff wird aktuell auch im Musical „Shrek“ bei der Figur des „Lord Farquaad“ zur Anwendung gebracht). Korrekt mit Frack und Zylinder gewandete Herren der Opposition wirken auf den im gemütlich bayerischen Dialekt sprechenden König ein, endlich seinen Sohn, den Prinzen, mit einer Frau aus dem Volk zu verheiraten. Die sieben bereits verehelichten Königstöchter haben alle als Mitgift einen Teil des Königreichs in die Ehe eingebracht, sodass aus dem ursprünglich stattlichen Königsreich nur noch ein kleines Fleckerl Land übriggeblieben ist, wie die Oppositionellen bedenkentragend gschaftig bemängeln.

Nun gut – der König ist einsichtig und setzt für den gleichen Abend einen großen Ball im Schloss an, zu dem alle unverheirateten weiblichen Schönheiten des Volkes kommen und aus welchen sich dann der Prinz seine künftige Gattin erwählen soll.

Dieser jedoch, der Prinz, denkt gar nicht daran, sich zu vermählen. Vielmehr steckt er seine Nase tief in seine geliebten Märchenbücher, wenn er nicht gerade mit seinem höchst eigenwilligen Gaul „Horst“ zu tun hat. Dieser Vierbeiner nämlich kommt und geht, wie er will, und nicht, wie es der Prinz möchte. Zudem hat das Pferd ein außergewöhnliches Hobby – es steppt für sein Leben gern – dies aber nur, wenn es die erforderliche Steppdecke dafür auf dem Rücken liegen hat. Dem Charme von Horst, in dessen Korpus sich zwei Tänzer befinden, die behende und synchron die Hufe schwingen, kann sich niemand entziehen. Horst ist der Abräumer des Abends!

Zurück zum Prinzen. Aufgrund seiner Leseleidenschaft ist der Gute stark kurzsichtig und daher nur mit Brille fähig, seine Umwelt wahrzunehmen. Eine Einschränkung, die er mit Ella Zinder gemein hat, die im zweiten Handlungsstrang des Märchens als von Stiefmutter und ekligen Stiefschwestern geknechtetes Mädchen ihr Dasein fristet. Auch Ella lebt in ihrer Phantasiewelt und Bücher sind ihr zur Flucht aus der unschönen Realität das Wichtigste im Leben. An ihrer Seite tauchen immer wieder die beiden Tauben Pic & Pic auf und spenden ihr Trost. In den Kostümen der beiden Flattermänner mit Hörschaden (die tauben Tauben“…) stecken zwei Darsteller, die das kopfreckende Tauben-Verhalten aufs Vortrefflichste imitieren.

Die monströse Stiefmutter wird von einem Mann gespielt (Edna Turnblad aus „Hairspray“ lässt grüßen!), die beiden Stiefschwestern übertreffen sich gegenseitig darin, Cinderella-Ella-Zinder zu schikanieren. Die Kunde vom Ball im Schloss sorgt für Aufregung, die Stiefmutter wittert Morgenluft, soll doch eine ihrer beiden leiblichen Töchter alsbald als Prinzessin an der Seite des Prinzen sein. Cinderella möchte auch auf den Ball, ein Komplott der Stiefmutter will dies verhindern: Dem Mädchen wird befohlen, aus einer großen Schüssel Linsen die schlechten auszusortieren, erst nach getaner Arbeit dürfe sie auf den Ball. Eine Aufgabe, die Ella unmöglich zeitnah bewerkstelligen kann. Doch da springen ihr die beiden Tauben bei und picken „die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“ und im Nu ist die Arbeit vollbracht. Nun aber steht Ella vor dem nächsten Problem – sie hat kein Ballkleid. Doch auch dies löst sich dank eines ihr vom Vater geschenkten Zauberkastens. Ein rosa Bauchtanzkostüm (Ella liest gerade das Märchen vom Kalif Storch) und passende Schühchen schweben ihr zu.

Nun noch hurtig eine knatternde kleine Kutsche besteigen und ab geht’s ins Schloss. Dort sammeln sich bereits die Schönen des Landes (auch eine „Angela“ ist dabei mit eingezogenen Schultern, sowie sattsam bekannter Frisur, Gestik und Stimme…) und langweilen sich, weil der Prinz sich nicht sehen lässt. Horst ist begeistert, erscheint mit dem Anlass entsprechenden pink-glitzernden Hüfchen und legt eine sehr flotte Stepp-Sohle aufs Parkett. Haushofmeister und König nötigen den Prinzen, endlich auf dem Ball zu erscheinen, dort buhlen sodann die beiden krätzigen Stiefschwestern um ihn. Cinderella trifft auf dem Schloß ein und sie und der Prinz stolpern buchstäblich ineinander und vergucken sich trotz beidseitig hoher Dioprienzahl heftig. Die Leseleidenschaft verbindet ebenso wie schlechtes Tanzen. Um Mitternacht muss Cinderella das Schloß verlassen, sie verliert in der Hektik einen Schuh – tags darauf macht sich der Prinz auf die Suche nach dem Mädchen, dem dieser Schuh passt, die tumben Stiefschwestern lassen sich sogar einen Zeh abhacken – doch die Tauben skandieren „ruggediguhhh – Blut ist im Schuh!“. Nach einigen Wirrnissen finden Prinz und Cinderella zueinander, der König ist’s zufrieden, alle versammeln sich auf der Bühne und bemerken „und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“ – doch man beschließt einheitlich Wir geh’n ins Märchen zurück!

Ein schwungvoll und peppig inszeniertes Märchen für Kinder und Erwachsene ist Josef E. Köpplinger gelungen, garniert mit zahlreich eingestreuten Bonmots. Das 12-köpfige Orchester setzt Thomas Pigors mit Walzerklängen, viel Klarinettenklang und sogar Rap versehene (Immer nur ich, immer nur ich) vielseitige und erfrischende Komposition mit viel Können und Freude um. Die Kostüme sind märchengerecht und vor allem das Bühnenbild ist wieder einmal ein Augenschmaus: riesige gestapelte Bücher, die als Spielfläche genutzt werden, sowie hochkant stehende Bücher, die beim Aufklappen ein erstaunliches Innenleben offenbaren: so ist man flugs mitten in Küche und Wohnraum der bösen Stiefmutter als auch durch „Umblättern“ im Ballsaal des Schlosses.

Die vierzehnköpfige Darstellerriege überzeugt durchgehend mit ansteckender Spielfreude. Hervorzuheben in der Rolle der Stiefmutter ist der ansonsten für Charakterrollen bekannte Robert Joseph Bartl, der hier sein Komiktalent ausspielen darf und – man staune – erstmalig überhaupt in einem Musical auf der Bühne steht (und singt!). Tanja Petrasek in der Titelrolle liefert eine gute Leistung, obwohl sie am Premierenabend stark erkältet war.

Das zu schätzungsweise weit mehr als 90% aus Erwachsenen bestehende Premierenpublikum tobt und trampelt – ein weiterer Erfolg für das Gärtnerplatzteam ist sicher.

Tickets, Termine und weitere Informationen gibt es unter http://www.staatstheater-am-gaertnerplatz.de

(Silvia E. Loske, Januar 2015)

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Buch und Musik von Thomas Pigor, Uraufführung 6.10.1990 in Regensburg

Musikalische Leitung

Jürgen Goriup

Regie

Josef E. Köpplinger

Choreographie

Hannes Muik

Bühne

Karl Fehringer, Judith Leikauf

Kostüme

Alfred Mayerhofer

Licht

Michael Heidinger, Josef E. Köpplinger

Dramaturgie

David Treffinger

Darsteller:

Cinderella

Tanja Petrasek

Prinz

Lars Schmidt

Olga

Susanne Seimel

Emilie

Katharina Lochmann

Stiefmutter

Robert Joseph Bartl

Vater

Frank Berg

König Karlheinz der Große

Stefan Bischoff

Pic, Taube 1, u.a.

Anja Clementi

Pic, Taube 2, u.a.

Yara Blümel

Oppositioneller 1, Nachtwächter

Jan Alexander Naujoks

Oppositioneller 2, Betrunkener

Sebastian Smulders

Oppositioneller 3, Bäcker

Nicolas Boris Christahl

Haushofmeister

Andreas Goebel

Horst vorn/Bürger Billig/Ballgast

Adrien Papritz

Bäuerin/Balldame/Horst hinten

Stéphanie Signer

Orchester: Es spielen Musiker des Orchesters des Staatstheaters am Gärtnerplatz