ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK – München-Premiere 8.10.2015

IWNNINY Prem. München 8.10.15 036.aMünchen-Premiere am 8. Oktober 2015 im Deutschen Theater

Ahoi und Leinen los im Deutschen Theater: mit den Hits von Udo Jürgens auf großer Dampferfahrt nach New York

Vor mehr als zehn Jahren trat die Stage Entertainment an Udo Jürgens heran mit der Idee, ein Musical rund um seine größten Hits zu kreieren. Der große Sänger, Komponist und Entertainer war von der Idee angetan und begeisterte sich im Verlauf des Kreativprozesses immer mehr, brachte sich mit Elan ein und als das „Kind“ dann geboren war und 2007 in Hamburg uraufgeführt wurde, zeigte er sich extrem glücklich über das Ergebnis und war seitdem bei der Premiere an jedem Spielort, an dem das Musical aufgeführt wurde, persönlich dabei. So wäre es auch bei der München-Premiere gewesen – doch es kam bekanntlich anders, denn der Star wurde vor zehn Monaten völlig überraschend mitten aus dem Leben gerissen und verstarb während seiner Tournee mit dem nun fast schicksalhaften Titel Mitten im Leben.

So fand nun im Münchner Deutschen Theater die Premiere seines Musicals als Hommage an einen der größten deutschsprachigen Unterhaltungskünstler statt – in der ersten Reihe im Publikum seine Tochter Jenny und Sohn John Jürgens mit ihren Familien.

Die Geschichte des Musicals hat nichts mit der Person Udo Jürgens zu tun. Wie es halt bei Compilation-Musicals so ist, waren zuerst die höchst erfolgreichen Lieder da und um diese herum wurde dann eine Story gestrickt. Das hat bereits bei „Mamma Mia!“ funktioniert und tut es jetzt auch bei „ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK“. Wenngleich auch manches an bestimmten Stellen im Fluss der Geschichte konstruiert wirkt und man deutlich merkt, wie die Buchautoren sich dann biegen, um die Kurve zum Übergang in das nächste Lied zu bekommen.

Im Ergebnis sind 20 der beliebtesten Hits von Udo Jürgens im Stück eingesetzt, darunter selbstverständlich seine größten Gassenhauer-Schlager, die zum Großteil in revueartigen Szenen mit dem ganzen Ensemble auf die Bühne gebracht werden. Zum Glück – für die Leute, die jetzt nicht so unbedingt viel mit Schlager, Lalala-Refrainen und leicht ins Operettige gehenden Szenen am Hut haben – gibt es aber auch einige wirklich tiefgründige, oftmals nur in Duetten ohne großes TamTam drumherum interpretierte Songperlen, die dann auch wirklich ans Herz gehen. Das sind dann eher leise Melodien mit wahrhaftigen, exzellenten Texten (vom großen Michael Kunze) wie zum Beispiel Vater und Sohn und Was wichtig ist, die das Stück vor der Gefahr  bewahren, in die Schunkel- und Mitklatsch-Schublade abzudriften.

Die Geschichte ist, wie Udo Jürgens immer betont hat, aus dem Leben gegriffen, und könnte so oder ähnlich irgendwie jedem und überall so passieren – es ist ein Familienstück und umfasst drei Generationen.

Die toughe Karrierefrau Lisa Wartberg ist eine bekannte Fernsehmoderatorin und hat 24 Stunden täglich nur ihre Karriere im Kopf. Ihre betagte Mutter Maria hat sie in ein Altersheim abgeschoben, weil sie keine Zeit für sie aufzubringen imstande ist. Im Heim verlieben sich die beiden Senioren Maria und Otto ineinander. Ottos Sohn ist Axel, als Tierfotograf beruflich auch ständig unterwegs, Axel hat aus einer gescheiterten Beziehung den zehnjährigen Sohn Florian, ein pfiffiges Kerlchen. Die beiden Senioren büxen aus dem verhassten, sie ständig reglementierenden Altersheim aus, entern ein Kreuzfahrtschiff in Hamburg und schippern auf diesem nach New York, um sich dort unter der Freiheitsstatue das Jawort zu geben. Lisa und Axel werden von der aufgebrachten Heimleiterin herbeizitiert und davon in Kenntnis gesetzt, dass – wenn die beiden Alten nicht umgehend zurück ins Heim verfrachtet werden – deren Heimplätze anderweitig vergeben würden und somit sich die Kinder selbst um Mutter bzw. Vater zu kümmern hätten – was diese aus Zeitmangel ja nun gar nicht gebrauchen können. Deshalb begeben sich also umgehend Lisa und Axel, die sich auf Anhieb gar nicht leiden können und sich gegenseitig angiften, gemeinsam mit Axels Florian in einem wackligen Jeep auf den Weg nach Genua, um dort auf das besagte Schiff zu gelangen, da sie das Ablegen des Schiffs in Hamburg versäumt haben. Diese Szene ist von der Regie grandios umgesetzt und zeigt per Videoinstallation enorm amüsant als Navigations-System den Zickzack-Weg der drei Reisenden.

Weiterhin muss noch Lisas Stylist und engster Vertrauter, der agile Fred, zusammen mit dessen Liebsten Costa auch auf das Schiff – weshalb das sein muss, erschließt sich von der Logik her nicht zwingend – treibt aber aufs Vergnüglichste das dann folgende Screwball-artige Durcheinander auf dem Luxusliner auf die Spitze. Natürlich weiß man schon nach ein paar Minuten, wohin sich das alles entwickeln wird: die Generationenkonflikte werden letztlich beigelegt, Lisa und Axel kriegen sich und alles endet in Wohlgefallen und Harmonie.

Aber WIE das im Stück höchst kurzweilig, mit hohem Tempo und exaktem Timing in Broadway-Qualität vonstatten geht, ist aller Ehren wert. Regie und Choreographie punkten satt, setzen ein Highlight nach dem anderen und sorgen dafür, dass die fast drei Stunden Aufführungszeit wie im Flug vergehen und nicht ein Moment der Langatmigkeit aufkommt. Die Darsteller geben alles und sorgen mit ihrer ansteckenden Spielfreude für unzählige Lacher, aber auch anrührende Augenblicke. Das Publikum hat ordentlich zu tun, gleichzeitig den hohen Schauwert des Stücks mit den flüssig ineinandergreifenden Szenen zu genießen und die vielen vergnüglichen Gags mitzubekommen. Und – nicht zu vergessen – in den süffigen Mega-Hits von Udo Jürgens zu schwelgen, die teilweise in überraschenden Arrangements daherkommen. So wird die Rentner-Aufmüpf-Hymne Mit 66 Jahren ausgerechnet vom vorlauten kleinen Florian, mit Unterstützung des Ensembles, dargeboten. Bei der auf Deck stattfindenden Tortenschlacht Aber bitte mit Sahne schrammt man haarscharf an der Peinlichkeit vorbei, wenn man Teile des Ensembles mit Fatsuits ausstaffiert als Torten in sich reinschaufelnde Dicke präsentiert – das hätte nicht sein müssen. Sehr gelungen sind die Lied-Szenen Alles im Griff auf dem sinkenden Schiff, wenn sich Axel über die nervende Fernsehtussi auslässt, Siebzehn Jahr, blondes Haar – da nähern sich die beiden Gegenpole schon langsam an, als Axel singend von seiner gescheiterten Beziehung erzählt und wirklich sehr schön dann Immer wieder geht die Sonne auf, ebenso wie Merci Cherie und Ich weiß, was ich will, als sich die beiden schon ineinander verguckt haben.

Das sozialkritische Ehrenwerte Haus und der Griechische Wein gehören ganz dem mega-sympathischen schwulen Pärchen Fred und Costa und die beiden machen daraus – u. a. Sirtaki-tanzend – absolute Showstopper.

Beim Schlussapplaus wird dann – wie könnte es anders sein – ein schwungvoller Mega-Mix auf die Bretter gelegt. Zu diesem Zeitpunkt ist das Publikum längst dem Charme des Stücks und den unwiderstehlichen Hits von Udo Jürgens restlos erlegen und der ganze Theatersaal kocht über – alle singen und tanzen mit, ein großes Happening aller anwesenden Generationen. Wenn das ein Feelgood-Musical erreicht, dann ist offensichtlich alles richtig gemacht worden.

IWNNINY Prem. München 8.10.15 038.aDie größenmäßig limitierte Bühne des Deutschen Theaters wird bis zum letzten Zentimeter ausgenutzt, teilweise wird’s schon richtig eng, wenn alle Darsteller samt Kulissen gleichzeitig auf der Bühne sind, was häufig vorkommt. Die Szenen auf dem Luxus-Liner mussten vom Bühnenbild her extra angepasst werden – flugs befindet man sich im Fernsehstudio, im Altersheim, Reisebüro, auf dem für die Zuschauer bereits geschilderten höchst vergnüglichen Weg nach Genua und natürlich auf den diversen Decks des Dampfers inklusive Honeymoon-Suite, vom vorlauten Florian respektlos aber treffend als „Popp-Palast“ tituliert. Die Kostüme sind farbenfroh und teils schrill, das Lichtdesign passt perfekt, nur die Soundaussteuerung lässt noch Luft nach oben: bei manchen Songtiteln wurden die Stimmen der Solisten (wie z. B. beim Ehrenwerten Haus) vom Orchester überlagert, was zu Lasten der Textverständlichkeit ging.

Die Choreographie ist einer der großen Pluspunkte der Show, das Ensemble setzt exakt und mit viel Verve Kim Duddy’s Vorgaben um. Das Orchester besteht aus zehn Musikern unter dem Dirigat von Rebecca Lang, die Ohrwürmer von Udo Jürgens ebenso wie die zarteren, nachdenklichen Balladen sind im Orchestergraben bestens aufgehoben.

Wie bereits erwähnt, sind die Darsteller allererste Sahne:

Sarah Schütz, die in München Musical an der August-Everding-Akademie studiert hat, gibt anfangs die zickige Fernsehschnepfe so exakt enervierend, dass jeder Mann nur schleunigst Reißaus nehmen würde. Es gelingt der Darstellerin schauspielerisch höchst überzeugend, im Verlauf der Geschichte den aufgebauten Panzer subtil bröckeln und ihre Angst, verletzt zu werden, durchscheinen zu lassen. Außerdem singt sie ihre Parts mit klarer Stimme bombensicher.

IWNNINY Prem. München 8.10.15 018.aAls ihr Gegenpart Axel Staudach steht mit Karim Khawatmi ein echter, aufrecht gerader Kerl auf der Bühne mit viel bodenhaftender Lebenserfahrung und Herzenswärme. Köstlich zu beobachten, wie er seine Selbstsicherheit immer mehr verliert und ins Straucheln gerät, je mehr er sich eingestehen muss, dass ihm diese so anstrengende Lisa alles andere als egal ist und er sich, souffliert vom eifrig im Hintergrund gestikulierenden „Freddibär“, linkisch mit neuer Performance ihr gegenüber zu erklären versucht. Wenn Karim Khawatmi mit seinem warmen Bariton singt, stellen sich einem die Härchen auf, so ähnlich klingt er wie Udo Jürgens, ohne ihn im Geringsten zu imitieren. Er ist wohl eine absolute Idealbesetzung für die Rolle des Axel Staudach, in jeder Hinsicht.

IWNNINY Prem. München 8.10.15 019.aDie Rolle des coolen kleinen Florian teilen sich für die Münchner Spielzeit sieben Münchner Buben, stolz erzählten sie bei der Premierenparty, dass sie sechs Wochen täglich geprobt und die Rolle jetzt total drauf hätten. Bei der Premiere stand Nahuel auf der Bühne und eroberte erwartungsgemäß das Publikum im Sturm. Wann immer er reichlich altklug was zu sagen hat, hat er die Lacher auf seiner Seite – ganz lässig meistert er seinen doch ziemlich umfangreichen Part wie ein Großer, serviert trocken seine Gags.

IWNNINY Prem. München 8.10.15 021.aDie Hauptdarsteller Karim Khawatmi, Sarah Schütz und (unten) Andreas Bieber mit den kleinen Münchner Florian-Darstellern

IWNNINY Prem. München 8.10.15 009.aDas schwule Pärchen wird von Andreas Bieber und Gianni Meurer gespielt. Letzterer tapert als treuherziger Grieche Costa durchs Bild, den man aufgrund seiner Gutherzigkeit und des netten Akzents wegen einfach mögen muss. Hinreißend agiert Andreas Bieber als Fred. Diesem Energiebündel fliegen, wie hinreichend zu beobachten war, alle Herzen zu. Der Vollblutschauspieler setzt seine Pointen so punktgenau, das kann man nicht lernen, das muss man in den Genen haben. Dass er neben dieser unglaublichen Bühnenpräsenz auch noch über eine wunderbare Stimme und großes tänzerisches Können verfügt, wissen Musicalfans schon lange. Endlich können sich auch die Münchner davon überzeugen, wie es ist, wenn ein Darsteller so eine mitreißende Spielfreude hat, dass diese unweigerlich ins Publikum schwappt und alle begeistert.

IWNNINY Prem. München 8.10.15 006.aEin großer Coup ist den Verantwortlichen mit der Verpflichtung der legendären Kessler-Zwillinge gelungen, die im Monat Oktober alternierend die zielstrebige Seniorin Maria Wartberg spielen. Sehr amüsant, wie Ellen Kessler mit der ihr eigenen Grandezza in der Premiere den etwas biederen Otto Staudach (sympathischer Opa:Gunter Sonneson) in die Tasche steckt und ihm zeigt, wo’s lang geht. „Wieso soll ich mit Bypass nicht nach New York kommen – ich will ja nicht dorthin schwimmen“ und ihre dem Dampfer-Kapitän gegenüber vorgetäuschte Herzanfallattacke, während sie hingegossen auf dem Sofa der Honeymoon-Suite liegt und gleichzeitig dem ernstlich besorgten Otto zuraunt „es geht mir gut“ – da blitzt noch immer das große Können dieser eleganten Grande Dame auf.

IWNNINY Prem. München 8.10.15 004.aNeben häufigem Szenenapplaus gab das mit hoher Promidichte durchsetzte Premierenpublikum beim Schlussapplaus seiner Begeisterung jubelnd lautstark Ausdruck – das Deutsche Theater hat mit dieser Produktion einen vollen Erfolg eingefahren, das kann man jetzt schon sagen. Auf der anschließenden Premierenparty feierten Besucher, Kreative und Darsteller ausgelassen noch lange in die Nacht hinein.

Wer sich drei Stunden bestens unterhalten lassen will, der möge sich in den nächsten 12 Wochen unbedingt zur Dampfer-Ablegestelle in der Münchner Schwanthalerstraße begeben.

IWNNINY Prem. München 8.10.15 045.aICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK läuft noch bis zum 3. Januar 2016. Nachmeldung: Wegen des großen Erfolgs Verlängerung bis zum 10. Januar 2016!

Informationen zum Stück, Spieltermine und Tickets unter
http://www.deutsches-theater.de/programm/ich-war-noch-niemals-in-new-york.html

(Silvia E. Loske, Oktober 2015)

Das Deutsche Theater München veranstaltet eine Produktion von Stage Entertainment; Musical mit der Musik von Udo Jürgens, Buch von Gabriel Barylli und Christian Struppeck

Musikalische Leitung

Michael Reed

Inszenierung

Carline Brouwer

Bühnenbild

David Gallo

Kostüme

Yan Tax

Choreographie

Kim Duddy

Light-Design

Andy Voller

Sound-Design

Thomas Strebel

Dramaturgie

Darsteller:

Lisa Wartberg

Sarah Schütz

Axel Staudach

Karim Khawatmi

Fred Hofmann

Andreas Bieber

Costa Antonidis

Gianni Meurer

Maria Wartberg

Ellen Kessler (altern. Alice Kessler)

Otto Staudach

Gunter Sonneson

Florian

Nahuel

Ensemble: Jörn-Felix Alt, Saskia Asseler, Claire Brazier, Damian Czarncecki, Morten Daugaard, Michael Fernandez, Harald Heinz, Patricia Hodell, Nic Ineson, Lars Kemter, Maren Kristin Kern, Salvatore Maione, Hannah McDonagh, Kai Peterson, Daniel Rakasz, Tara Randell, Karina Rapley, Carl Richardson, Mike Sandomeno, Nico Schweers, Karin Seyfried, Regina Venus, Matteo Vigna, Olivia Kate Ward.

10-köpfiges Orchester unter Leitung von Rebecca Lang