Interview: ARMIN KAHL

Armin Kahl 016.bSeit über 15 Jahren ist Armin Kahl als Musicaldarsteller im deutschsprachigen Raum tätig und hat sich kontinuierlich durch seine enorme Vielseitigkeit zur festen Größe in der ersten Liga der männlichen Musicalstars entwickelt. Der gebürtige Erlanger, der in Wien lebt, feiert sowohl in Deutschland wie in Österreich und auch in der Schweiz an allen renommierten Theatern große Erfolge. Allein im Laufe der letzten Jahre verkörperte er so unterschiedliche Rollen wie den Zoser in „Aida“, „Zorro“, Munkustrap in „Cats“, George Banks in „Mary Poppins“, Alfred Ill in „Der Besuch der Alten Dame“, „Jekyll & Hyde“ und natürlich den charismatischen Verführer Vicomte de Valmont in der mit Preisen überhäuften, aufsehenerregenden Inszenierung des Gärtnerplatztheaters, „Gefährliche Liebschaften“, welche im Februar 2015 in München uraufgeführt wurde und jetzt im Mai 2016 für fünf weitere Vorstellungen Wiederaufnahme hat.

Musical Reviews hatte Gelegenheit, mit dem beliebten Künstler im wunderschönen Münchner Cuvilliéstheater vor der Show ein Gespräch zu führen.

MR: Vielen Dank, Armin, dass Du es trotz Deines engen Zeitplans ermöglichst, etwas zu Deinem aktuellen und den künftigen Engagements zu erzählen. Ich nehme an, die „Liebschaften“ sind für diese nur fünf Vorstellungen hier wieder ausverkauft, oder?

AK: Ich weiß es nicht, ob es gänzlich ausverkauft ist, aber mit Sicherheit ist es sehr, sehr gut gebucht.

MR: Und Ihr legt wieder mal noch eine Schippe obendrauf… hab es jetzt schon mehrfach gesehen, aber es ist erneut eine Steigerung zu beobachten.

AK: Also jetzt mit einem Abstand von einem guten Jahr wieder in diese Rollen zurückzukommen ist für uns alle grandios – in diese vielschichtigen Charaktere, bei denen untendrunter so viel brodelt – wem sagt man was, wo ist die Wahrheit oder wo ist sie nicht, wo wird was vorgegaukelt und vorgespielt. Jetzt erneut diese Texte zu sprechen geht noch weiter in die Tiefe, man versteht dann heute noch viel, viel mehr …

MR: Wie lange habt Ihr geprobt dieses Mal für die Wiederaufnahme?

AK: Drei Tage. Mit Adam Cooper (Co-Regie und Choreographie) einen halben Tag, einen halben Tag musikalisch und dann war am nächsten Tag schon der komplette erste Akt dran mit Korrektur am Abend; am zweiten Tag dann der zweite Akt und wiederum Korrektur abends – und dann halt an Tag drei ein Durchlauf und die Generalprobe.

MR: Daran erkennt man die Vollprofis… so ein komplexes Stück innerhalb von nur drei Tagen nach über einem Jahr Pause wieder „draufzuhaben“, das ist schon sehr beachtlich.

AK: Also ich sag mal so, es war schon sehr erstaunlich, dass noch soviel an Erinnerung und Präsenz da war.

MR: Noch dazu, weil es im Februar letzten Jahres ja nur elf Aufführungen waren!

AK: Ja, es war nicht lange, aber sehr intensiv. Und ich glaube, das ist der Grund, warum wir es alle noch so präsent hatten. Und natürlich auch, weil wir alle soviel Spaß daran haben. Deswegen ist es wohl auch sehr frisch geblieben.

Armin Kahl 014.aMR: Was ist Dein Lieblingsteil im Stück?

AK: Also es gibt da zwei Szenen, die ich sehr mag. Das eine ist was Lustiges und das andere ist was Trauriges. Der erste Lieblingsteil ist, wenn die Cecile nicht weiß, wie wir das machen mit diesen Briefen, wie wir das austauschen – und ich sie da so hinters Licht führe.

MR: Ach, das ist das mit dem Schlüssel und Ceciles „wie klug Sie doch sind!“, ja, das ist aufgrund ihrer Naivität wirklich sehr amüsant.

AK: Ich liebe das! Ein sehr, sehr schöner Moment ist der Titel Dagegen bin ich machtlos, die Nummer mag ich sehr gerne, weil der Valmont da das erste Mal tatsächlich mit seinen Gefühlen kämpft, da merkt er selber dann auch, dass es ihm nicht leicht fällt, diesmal Schluss zu machen. Er macht es halt trotzdem, weil er nicht das Gesicht verlieren will der Marquise Merteuil gegenüber. Es gibt natürlich noch weitere Supernummern, wie z. B. Kriegserklärung und Konfrontation mit der Marquise, da spielen wir uns die Bälle zu, spielen die Macht gegenseitig aus und das sind wirklich tolle Theatermomente.

Gefährliche Liebschaften Feb. 2015 029.cMR: Interessant – ich hätte jetzt vielleicht etwas anderes vermutet…

AK: Ah ja, was denn?

MR: Nun, vielleicht Dein großes Solo Allmächtig?

AK: Klar, Allmächtig ist natürlich großartig, aber ich spiele halt so gern… wenn man Bühnenpartner und -partnerinnen meiner letzten 15 Jahre fragt, dann glaube ich, wird man hören, dass man gerne auch mit mir spielt *lacht* – behaupte ich jetzt mal! Weil ich es einfach sehr gerne mag, die Bälle hin- und her zu werfen, und wenn ich einen flexiblen Partner bzw. Partnerin habe, dann ist das natürlich umso schöner. Und bei mir kann man sich eigentlich immer sicher sein, dass ich versuche, den Ball aufzufangen, den ich zugespielt bekomme, auch wenn es jetzt nicht genau das ist, was man sonst macht. Ich glaube, ich reagiere da ganz gut und deswegen habe ich jetzt eher auf eindringliche Partnermomente geguckt. Allmächtig ist eine wunderschöne Nummer, natürlich ist das auch für mich ein toller Moment damit auf der Bühne.

MR: Läuft im CD-Player im Auto bei mir übrigens schon rauf und runter, die brandneue Live-Doppel-CD der Show, tolle Aufnahme!

AK: Ah, freut mich! Das ist jetzt eine gute Möglichkeit, sich erst die CD anzuhören, in die Geschichte reinzuhören, und dann ins Stück zu gehen. Manches fällt einem halt erst beim zweiten-, dritten-, viertenmal auf, es ist schon sehr komplex und die Musik ist ziemlich an Sondheim orientiert, Marc Schubring hat seine Komposition ja auch Stephen Sondheim gewidmet.Marc hat enorm intelligent geschrieben.

MR: Man ist zu Anfang ja leicht erschlagen, natürlich im positiven Sinne, von der Opulenz – Musik, Darsteller, wunderschöne Kostüme, fließende Übergänge, stetiger Flow – da stürmt soviel auf einen als Zuschauer ein. Kann auch nur empfehlen, wenn möglich, mehrmals reinzugehen.

AK: Es läuft jetzt noch bis morgen, Donnerstag, und dann haben wir Ende Mai, am 31., ein Gastspiel bei den Bayerischen Theatertagen in Regensburg.
Schauen wir mal, wie es weitergeht mit den „Liebschaften“…

MR: Nun, wenn das Gärtnerplatztheater dann endlich wieder zurück in seinem Stammhaus ist, werden doch sicher die sehr erfolgreichen Stücke dort in den regulären Spielplan aufgenommen?

AK: Ich glaubs ja auch..

Armin Kahl 015.bMR: Und jetzt geht’s nahtlos schon wieder für Dich weiter in Tecklenburg bei „ARTUS – Excalibur“ – am Freitag beginnen dort schon die Proben…

AK: Ja, gleich Donnerstagnacht geht’s nach der letzten „Liebschaften“-Vorstellung mit dem Auto von München nach Tecklenburg.

MR: Die haben ganz offensichtlich einen Narren an Dir gefressen, in Teck, nach den Erfolgen des vergangenen Jahres, nicht wahr?

AK: Also, ich kann mich jetzt nicht beschweren… ich fühle mich dort sehr wohl, und die sich mit mir glaube ich auch. Ich mag das schon sehr gerne „da oben“, das ist fast so wie eine Familie. Ich wurde da sehr herzlich aufgenommen, bin – denke ich – auch relativ unkompliziert und bringe mich dann auch ein – nicht nur auf der Bühne, sondern auch dahinter, backe Kuchen oder mach sonst irgendwas und das mögen die halt dann auch und dann wächst man da auch ein bisschen zusammen. Das ist natürlich dann gut, wenn sowas beiderseitig gut funktioniert, auf der Bühne und auch hinter der Bühne.

MR: Ist eine tolle Cast da für „ARTUS“ – alles, was Rang und Namen hat… In St. Gallen lief das Stück ja drei Spielzeiten lang überaus erfolgreich.

AK: Ja, das stimmt. Wichtig ist halt, dass man sich so eine Rolle selbst erarbeitet, sie individuell anlegt, eigene Nuancen einbringt. Auf dieser Bühne wird das natürlich anders inszeniert. Passt doch aber super in so eine Burgruine hinein und ich glaube auch, dass sie diesmal von den Aufbauten etwas wegnehmen in Teck, so dass man wieder mehr vom ursprünglichen Gemäuer sieht.

MR: Ideal für das Camelot-Feeling…

AK: Ja, genau.

MR: Und Uli Wiggers führt Regie?

AK: Da freu ich mich drauf! Der ist ein toller Mensch und ein ebenso toller Regisseur. Insbesondere Personenregie macht er ganz hervorragend, er hat gute Ideen und obwohl er natürlich seine Vision von einem Stück hat, ist er doch offen für Vorschläge.

Genauso wie Josef übrigens (Josef E. Köpplinger, Intendant des Gärtnerplatztheaters und Regisseur der „Gefährlichen Liebschaften“, Anm. der Redaktion). Der hat so ein genaues Bild vor Augen, was er machen möchte und ich glaube, das ist auch meistens perfekt so, wie er es sich vorstellt und wie das so ineinander übergeht. Man muss halt erstmal am Anfang das ausprobieren und das bedienen, er möchte sehen, ob es so funktioniert. Und dann muss man seinen eigenen Stil mit einbringen und wenn das dann kombinierbar ist, dann ist das natürlich perfekt.

Armin Kahl 010.aMR: Er hat ein unglaubliches Gespür für Timing…
Und Du bist ja auch in einer seiner weiteren Produktionen, nämlich in „Jesus Christ Superstar“ im Mai 2017 wieder hier in München, Du spielst den Jesus.

AK: Ja, da freue ich mich schon sehr drauf!

MR: Das wird sicher spannend. Ist auch wieder eine super Cast dabei – David Jakobs hatte den Judas bereits in den letzten Jahren gespielt und Bettina Mönch wird die Maria Magdalena. Hast Du denn den Jesus schonmal gespielt?

AK: Ich hab ihn noch nie gespielt! Bisher war ich in JCS-Produktionen schon Pontius Pilatus und Herodes, aber noch nie Jesus.

MR: Da bin ich dann ja auf Dein Gethsemane gespannt…

AK: Hmm, *grinst*… das hab ich schon öfters bei Auditions gesungen – ist ein Klopper. Wird oft gewünscht damit die sehen, ob man singen kann.

MR: Und dann ist ja noch vorher – also zwischen „ARTUS“ und „Jesus Christ Superstar“, noch die Uraufführung von „Schikaneder“ in Wien dran, ab Herbst 2016.

AK: Premiere ist im Oktober, ja.

MR: Welche Rolle wirst Du in dem Stück übernehmen?

AK: Das ist der Benedikt Schack, er war der erste Tamino damals. Daher eine historische Figur. Das Stück dreht sich natürlich um den Schikaneder und seine Frau, Eleonore. Das war für die damalige Zeit so unglaublich, dass sie als Frau ein Theater geleitet hat. Zwei starke Charaktere, und dann auch noch „Theater im Theater“ – das hat sowas von „Kiss me, Kate“.

MR: Wie groß ist Deine Rolle des Benedikt Schack?

AK: Eine Nebenrolle, aber nicht unwichtig. Benedikt ist der beste Freund vom Schikaneder – es gibt die beste Freundin von ihr (der Eleonore) als Pendant – sie ist die Papagena und eben den besten Freund von ihm, der Tamino. Man sagt dem Schikaneder ja nach, dass er ein Verhältnis hatte mit der Sopranistin Josefa Hofer, die wiederum die erste Königin der Nacht war. Das heißt also, wir haben diese drei Personen, die es ja auch wirklich gab, in Anlehnung an die Zauberflöte. Sie sind die Pendants zu Schikaneder und Eleonore.

MR: Hast Du ein Solo oder ein Duett im Stück?

AK: Ich hab ein Terzett und mein Solo ist das erste Lied aus der Zauberflöte „Zu Hilfe, zu Hilfe, sonst bin ich verloren. So endet in dieser Richtung auch ein bisschen das Stück, nämlich mit der Generalprobe der Zauberflöte. Gesungen wird eher klassisch. Die Orchesterbesetzung ist im Übrigen genau dieselbe Besetzung wie bei der Zauberflöte.

MR: Werden dann Thematiken bzw. Anleihen aus der Zauberflöte zu hören sein?

AK: Das Terzett zum Beispiel: Wir haben alle eine musikalische Frequenz der Rolle analog zur Zauberflöte. Das heißt, ich singe ein Thema, was wie bei Dies Bildnis ist bezaubernd schön oder Zu Hilfe, zu Hilfe… dieselben Tonabstände hat – so hat Stephen Schwartz das dann verschachtelt, das hat er richtig gut geschrieben. Und ich glaube, das war auch der interessante Aspekt für ihn bei der Umsetzung. Leider konnte ich nicht bei der Pressekonferenz kürzlich in Wien dabei sein, weil ich hier die Generalprobe gehabt habe.

MR: Also – Du bist ja schon wieder ausgebucht bis nächstes Jahr Ende Mai.

AK: Genau. Und im Dezember mache ich noch Weihnachtskonzerte in Zürich und Bern, produziert von den Thuner Seefestspielen, und es wird auch noch ein kleines Projekt geben, einen Abend, den ich schon einmal gemacht hatte, den möchte ich dann in Wien ein bisschen etablieren, da laufen gerade Gespräche.

Und dann ab 18. Mai 2017 wieder München – „Jesus Christ Superstar“ geht bis zum 3. Juni, insgesamt zwölf Vorstellungen.

Armin Kahl 022.bMR: So, wichtige Frage zum Schluss: Was machen die Torten und Cup Cakes?

AK: *lacht* – in letzter Zeit ein bissl wenig. Als ich„Jekyll & Hyde“ in Würzburg gemacht hab, war ich ja immer zwischendurch bei meinen Eltern in Erlangen, und da lässt mich meine Mutter aber nicht an den Herd…

MR: Ach was?

AK: Naja, da will ich auch irgendwie nicht, denn da soll sie dann backen, Mütter wollen ihre Kinder ja auch immer verwöhnen. Aber ich musste dann schon auch sagen, so, jetzt isses aber mal genug, weil sonst bin ich irgendwann bald rund wie ein fränkischer Kloss..

Apropos „Jekyll“ – Du warst nicht dort, oder? So eine schöne Inszenierung!

MR: Ja, leider, hab’s nicht gesehen. Aber ich hoffe sehr darauf, dass es mir beim nächsten Mal nicht auskommt und es – da es ja auch ein sehr großer Erfolg war – irgendwann nochmal gespielt wird.

AK: Oh ja, das hoffe ich auch! Von den 26 Vorstellungen dort waren bis auf zwei alle ausverkauft! Es war jedes Mal ein Genuss. Ich liebe das Stück, hab die Rolle geliebt, die Inszenierung geliebt. Es war am Anfang ein bissl schwierig, weil ich dachte, ja wie – warum bin ich jetzt der Einzige, der modern gekleidet ist in dieser Inszenierung, die anderen haben alle historische Kostüme an, und ich bin in so einem normalen schwarzen Anzug mit weißem Hemd mittendrin? Der Sinn hat sich mir aber dann rasch erschlossen. Also, das möchte ich schon nochmal spielen – hoffentlich läuft mir diese Rolle irgendwann erneut übern Weg!

Armin Kahl 020.bMR: Würde mich für Dich freuen. Herzlichen Dank für die interessanten Einblicke in Deine anstehenden Projekte und alles erdenklich Gute!

Silvia E. Loske, Mai 2016

Alle Fotos unterliegen dem Copyright von Musical Reviews

Video-Links:

https://youtu.be/L-3i1xaix2k        „Jekyll & Hyde“ Würzburg

https://youtu.be/PW9Frp1uCR8   „Gefährliche Liebschaften“, München