TAG DER OFFENEN TÜR, GÄRTNERPLATZTHEATER MÜNCHEN

Einmal im Jahr öffnet das Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz alle Türen ganz weit und lädt das treue Münchner Publikum zum Tag der Offenen Tür ins historische, wunderschöne Haus.

©  Gärtnerplatztheater

Letzten Sonntag, am 15. September, war es wieder soweit. Von 11:00 bis 15:00 Uhr konnte man nach Herzenslust kreuz und quer durch das Traditionstheater stöbern. Berichten zufolge nahmen ca. 8.000 Theaterbegeisterte dankbar dieses Angebot an und strömten in ihr geliebtes Münchner Musiktheater. Das Wetter, windig und regnerisch, tat ein Übriges, um sich nur allzu gerne Indoor aufzuhalten und Kultur in vollen Zügen zu genießen.

Was für eine ungeheure logistische und organisatorische Meisterleistung hinter so einer Veranstaltung steckt, an der – so scheint es einem – alle fast 600 Mitarbeitenden des Theaters mit freundlichem Lächeln, großer Auskunftsfreude und, man spürt es deutlich, Liebe zu ihrem Kulturtempel beteiligt sind, kann man nur ansatzweise erahnen.

Kurz vor 11:00 Uhr begrüßt Intendant Josef E. Köpplinger die in freudiger Anspannung vor den Stufen des Haupteingangs Wartenden und erläutert, dass das Haus 17 Stationen, an denen Aktionen stattfinden, gut ausgeschildert mit dem „Faden der Ariadne“, vorbereitet hat.

Es gibt vor Ort ein gedrucktes Programm mit entsprechender Wegweisung zu diesen 17 Stationen, das ich einen Tag zuvor vergeblich auf der Homepage des Theaters gesucht aber dann nach einigem Recherchieren im Internet auf der Seite von München Kultur doch letztlich ausfindig machen konnte. Und mir auf diese Weise schon einmal die Punkte markiert hatte, die ich unbedingt sehen und erleben wollte. Denn Vieles fand zeitgleich statt, so dass man durchaus gut beraten war, sich im Vorfeld einen eigenen Plan zurecht zu legen.

Kurz nach 11:00 Uhr werden die Pforten geöffnet und man darf endlich rein ins – für mich – Lieblingstheater. Wie schön, aus allen Ecken tönt es bereits. Junge Darsteller in aufwändigen Rokokokostümen flanieren umher. Ich begebe mich neugierig auf die Hinterbühne, um dort der Technikvorführung beizuwohnen. Auf dem Weg komme ich an Requisiten für die aktuelle Zauberflöten-Produktion vorbei:

die Zauberflöten-Schlange, vor der sich Papageno so erschreckt, und

das fragile Gefährt, mit welchem Papageno aus schwindelerregender Höhe vom Schnürboden herabschwebt zu seinem ersten Auftritt „Der Vogelfänger bin ich ja„.

Weiter führt mich mein Weg in die sogenannte Plastiker-Werkstatt, wo ich zu meiner Freude dies entdecke:

Piratige Masken! Die Premiere der britischen Kult-Operette „Die Piraten von Penzance“ wirft bereits ihre Schatten voraus und steht am 29. November bevor.

Piratenschiff mit Krokodil 🙂 Das wird ein Spaß und garantiert eins der Highlights im neuen Spielplan, freue mich schon sehr auf dieses absurde und enorm unterhaltsame Piratenspektakel!

Alle Werkstätten bieten freien Zugang und veranstalten Workshops: Schlosserei, Schreinerei, Schuhmacherei, Maskenwerkstatt, Malersaal, Damen- und Herrenschneiderei – dort entdeckte ich dieses vertraute Kostüm:

Vorfreude: bald geht es endlich weiter mit der Wiederaufnahme von Les Misérables am 23. Oktober. Gebe zu, dass ich zuweilen schon unter Entzugserscheinungen leide!

Vieles schaffe ich leider zeitgleich nicht, so entgeht mir leider das Klassikkonzert mit namhaften Mitgliedern aus dem Opernensemble und eine Darbietung der vier Nachwuchskünstler des Opernstudios. Den Orchesterprobensaal und den Chorprobensaal kenne ich bereits, da geht es im Galopp durch.

Und dann stehe ich vor einer großartigen Aktion: Das Musiktheater im Aufzug! Dies ist mit Sicherheit an diesem Sonntag der musikalischste Aufzug der Welt – jetzt beim Schreiben zieht es automatisch meine Mundwinkel in Erinnerung an diese so wunderbar unterhaltsamen Darbietungen nach oben 🙂

Stehe im zweiten Rang vor dem Aufzug – links von der Aufzugstür ein kleines Tischchen mit einer Glocke/Klingel. Aha. Während ich noch überlege, was es damit auf sich hat, öffnet sich die Aufzugstür und ich sehe eine silbern verkleidete und mit rotem Samtvorhang versehene Aufzugskabine. Und darin steht Kammersänger Daniel Prohaska und singt!

Es stellt sich heraus, dass der in der Kabine befindliche Sänger (wohl im Verlauf auch Sängerinnen, die ich aber leider versäumt habe) immer dann anfangen „muss“ zu singen, wenn jemand die Glocke bedient – klingeling – schon öffnet sich wieder Aufzugstür nebst Samtvorhang und man kommt in den Genuss sängerischer Live-Darbietung von zwischen 50 und 100 Sekunden.

Dann Vorhang wieder zu bis zum nächsten Klingeln. Und so weiter… ich bleibe fasziniert stehen und verweile, das ist einfach nur zu lustig! Zwischendurch mache ich mir etwas Sorgen um die stimmliche Disposition der Künstler, weil im Prinzip die Klingel ständig in Aktion ist. Doch es sind natürlich alles Vollprofis, denen man überdies den eigenen Spaß an dieser Sache deutlich anmerkt.

Erwin Windegger, seit langen Jahren von mir hochverehrter Hauptdarsteller in vielfältigsten Produktionen des Theaters, haut gewandet in der Krachledernen fetzigen Rock ’n’ Roll mit dazugehörigem Hüftwackeln raus und switcht einfach mal mitten im Song ins Jodeln, grandios!

Und dann kommt zu meiner Überraschung auch noch Opernbariton und neuerdings auch Musicalstar (Javert in Les Misérables) Daniel Gutmann als Master of the Elevator und singt neun Lieder: Wen wundert’s, die Klingel ist im Dauerbetrieb vor allem durch einige Kinder, die staunend vor dem Aufzug stehen. Der Bariton begleitet sich auf der Gitarre und hat sichtlich Freude am Performen. Dito in puncto Freude, kann ich da nur sagen.

Im Schnitt ca. 15 Minuten singt jeder der Künstler, dann gibt es wieder Wechsel. Was für eine unglaublich coole Idee, so genial!

Und dann begebe ich mich schon nach unten in die Katakomben des Theaters zur Studiobühne, denn dort ist für die letzte Dreiviertelstunde des Tags der Offenen Tür ein Musicalkonzert angesetzt, worauf ich mich sehr freue.

Unter perfekter Begleitung von Maestro und Konzertmeister Andreas Partilla am Flügel treten Julia Sturzlbaum, Frances Lucey, Armin Kahl und Daniel Gutmann auf und bieten einen Querschnitt durch sowohl bestens bekannte als auch weniger oft dargebotene musicalische Perlen.

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Schon beim Soundcheck haben die Künstler, hier Andreas Partilla, Armin Kahl und Daniel Gutmann, ihren Spaß.

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Armin Kahl und Julia Sturzlbaum, vertraute Kollegen in Erfolgsstücken wie Tootsie, Les Misérables und neuerdings Oh Oh Amelio!

Julia Sturzlbaum bei ihrer urkomischen Performance einer Künstlerin, die sich einem imaginären „Herrn Direktor“ als Darstellerin andient. Und im Gegensatz zu dieser lustigen Nummer überzeugt sie noch in der ernsten Ballade „Astonishing“ aus dem Stück „Little Women“.

Best Buddies Javert & Valjean alias Daniel Gutmann und Armin Kahl

Unverstärkt mit seiner beeindruckenden Stimme verzaubert Daniel Gutmann das Publikum mit den Titeln „Evermore“, „The Impossible Dream„,

im Duett mit Julia Sturzlbaum „A Whole new World“ und mit seiner Eigenkreation „Halloween“ aus dem brandneuen Album seiner Country-Pop-Band The Groovecake Factory.

Frances Lucey wirbelt mit den Marilyn Monroe Songs „Diamonds are a Girl’s best Friends“ und „My Heart belongs to Daddy“ über die Bühne.

Und Armin Kahl begeistert mit dem Titel „Sailing“ aus dem hierzulande noch eher unbekannten neuen Stück „A Whole New Brain“ sowie in den beiden Duetten „Hab ein Auge auf Amelio“ und „Fragen wir doch einfach mal den Wolkeinstein“ mit Julia Sturzlbaum. Und nebenbei moderiert er auch noch das Ganze.

Wohlverdienten großen Applaus ernten die Künstler nach ihrer wunderbaren Performance. Dankeschön an alle Beteiligten!

Fazit: Ich hatte mega Spaß – was für ein toller Theatersonntag! Freue mich bereits auf nächstes Jahr, wenn es wieder heißt „Tag der Offenen Tür“ im Gärtnerplatztheater. Vielen Dank!

Silvia E. Loske, September 2024

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