Jetzt kommt die schönste Zeit des Jahres … angeblich

Armin Kahl und Julia Sturzlbaum im Hofspielhaus München, 17. Dezember 2022

Im tiefverschneiten und klirrkalten München geht es im pittoresken Hofspielhaus, einen Steinwurf von der Staatsoper entfernt, eine Woche vor Weihnachten um … richtig! Es geht um Weihnachten und die „staade“ Adventszeit mit all dem Drumherum, dem Einkaufs-, Vorbereitungs-, Deko- und Kochstress. Um die liebe Verwandtschaft, die an den Feiertagen bespaßt werden will, um die jährliche Überforderung durch den sich selbst auferlegten Erwartungsdruck, es besonders schön machen zu wollen. Um Kindheitserinnerungen, um den ganz normalen jährlichen Wahnsinn – kurz gesagt um all die merkwürdigen Emotionen, die durch dieses Fest ausgelöst werden – ob man will oder nicht.

Um all diese Aspekte zu beleuchten, hat Musicalstar Armin Kahl mit Verstärkung seiner charmanten Kollegin vom Gärtnerplatztheater München, Julia Sturzlbaum, und seinem langjährigen musikalischen Partner Alan Sokol am Klavier zu diesem weihnachtlichen Spätnachmittag ins Hofspielhaus geladen. In dieser bezaubernden Wohnzimmer-Location hatte er bereits im Oktober 2020 drei Solokonzerte mit damals Corona-bedingten Auflagen jeweils nur 28 Besuchern veranstaltet.

Nun darf eine Weihnachtsshow also im nur 70qm „großen“ Theaterraum, diesmal vollbesetzt mit Besuchern ohne Auflagen, stattfinden. Die winzige Bühne ist weihnachtlich dekoriert, im Eck hinter der Theke befindet sich das Klavier. Die beiden Darsteller erscheinen entsprechend kostümiert und nötigen den kostümierungs-unwilligen Alan Sokol, sich als Weihnachtsbaum „verschönert“ ans Klavier zu begeben.

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Und schon sind wir mittendrin im gegenseitigen Austausch der beiden Künstler mit allerlei statistischen Hintergrundinfos, wieviel die Leute für Weihnachten ausgeben, bis wann sie ihre Geschenke kaufen, usw. Was unweigerlich in den Song „Nächstes Jahr – ich bin spät dran“ mündet, aufmüpfig kommentiert vom klavierspielenden Weihnachtsbaum mit Mannomann, Mannomann.

Es folgt vorgelesen das höchst amüsante „Advent, Advent, ein Kraftwerk brennt“, in welchem sozusagen minutiös in einer beliebigen Region Deutschlands aufgezeigt wird, was durch exzessiven Weihnachts-Beleuchtungs-Deko-Aufrüst-Wahnsinn passiert.

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Sodann hecheln die beiden Darsteller durch ein leicht abgewandeltes hektisches Weihnachtslieder-Medley, mit unter anderem einem rotnasigen Armin Kahl als Rudolph im imaginären Schlitten, gesteuert von Julia Sturzlbaum.

Doch es ist nicht nur klamaukig-lustig, sondern auch durchaus besinnlich. So mit dem alpenländischen „Es wird scho glei dumpa“, A-capella sehr schön dargeboten.

Mein spezieller Dank geht an Julia Sturzlbaum für ein sehr berührendes „Hijo de la Luna“, wunderbar begleitet von Alan Sokol. Schon die ersten Klänge dieser Melodie treffen direkt ins Herz. Ganz herzlichen Dank für diese Interpretation auf spanisch, großartig.

Von Armin Kahl als eine der größten Schnulzen überhaupt angekündigt tackern uns die beiden Künstler mit der Celine Dion / Andrea Bocelli Hymne „The Prayer“ auf englisch und italienisch mit grandiosem Stimmumfang in die Sitze. Atemberaubend schön, trotz Kitsch, harmonieren die beiden Stimmen aufs vortrefflichste. Man hätte die sprichwörtliche Nadel im Zuhörerraum fallen hören können.

Um nicht ganz ins Sentimentale abzudriften, geht es komödiantisch weiter – mit einer Mariah Carey Persiflage von „All I want for Christmas“ mit Carey-typischem Overacting.

Es folgt ein Weihnachts-Medley der bekanntesten Hits, optisch unterstützt mit allerlei Requisiten, so auch bei „Driving home for Christmas“ mit Lenkrad und mit Rasseln und Sombreros bei „Felice Navidad“,

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und natürlich darf auch „Last Christmas“ nicht fehlen.

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Nach einer Pause geht es weiter mit einem schwungvoll swingenden „Jingle Bells“:

Sehr passend dann im Anschluss „Ein neues Weihnachtslied“ der Formation Maybebop & Oliver Gies – mit logischer Herangehensweise an die Mythen der Weihnachtsgeschichte. Doch im Endeffekt kann sich kaum jemand, trotz berechtigter Zweifel am Geschehen in Bethlehem, dem Weihnachtszauber entziehen.

Armin Kahl liest aus dem Kindertagebuch eines höchst kreativen Buben vor, „Abvent“ mit seiner Beschreibung der familiären Krippe, die nicht so langweilig ist wie all die üblichen. Einige Krippenfiguren sind abhanden gekommen, oder haben eine „Wärmeaktion“ im Ofen nicht überstanden, aber zum Glück hat der findige Bub ja viele Figuren aus seiner Spielkiste, die Ersatz bieten…
Kurze Auszüge daraus: so ist jetzt der defekte Josef durch eine Donald Duck Figur ersetzt worden, das im Ofen verbrannte Christkindl sollte aufgrund der geringen Größe durch Asterix ersetzt werden, was die Mutter verhindert hat, hinter dem Futtertrog mit dem Christkindl stehen ein Esel, zwei Ochsen, ein Nilpferd und ein Brontosaurus (an dieser Stelle wird Armins Vortrag unterbrochen von lang anhaltenden Lachsalven!). Von den Heiligen Drei Königen ist einer letztes Jahr beim Putzen heruntergefallen und war hin. Jetzt sind da halt zwei Heilige Könige und ein heiliger Batman, der anstelle von dem Zeugs, was die da mitbringen, eine Pistole in der Hand hat. Das ist zwar kein Geschenk für das Christkindl, aber damit kann er es vor dem bösen Saurier beschützen. Hinter den Heiligen Drei Königen sind noch ein paar Indianer und kasige Engerl mit abgebrochenen Flügeln. Weiters gibt es noch ein Rotkäppchen, das hat eine Pizza und drei Weißwürscht dabei.

Tosender Beifall, Lachtränen werden aus den Augen gewischt.

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Und es naht ein weiterer Höhepunkt: laut Julia Sturzlbaum hat Armin Kahl offenbar eine besondere Affinität zum Aschenbrödel. Oh ja, wir warten schon alle darauf: Wieder einmal unnachahmlich in Mimik, Gestik und Dialekten nimmt uns Armin Kahl mit auf seinen knapp achtminütigen Parforceritt, in welchem er alle Charaktere köstlich darstellt bei „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, mit Lachsalven garniert und „brödel-brödel“ Mitsingerei der fröhlichen Besucher. Was in diesem Lied so alles verwurstet wird, ist absolut einzigartig.

Hier ein paar optische Impressionen daraus:

brödel-brödel, Aschelbrödel, oh yeah…

uh uh uh, ruggediguhhh, Blut ist im Schuh …

Es wird angemerkt, dass zur Advents- und Weihnachtszeit insbesondere Disney-Filme Hochkonjunktur haben, so folgt ein Duett aus „Rapunzel neu verföhnt“ sowie Julia Sturzlbaum mit einer Arie aus dem Musical Anastasia, „In my Dreams“.

Ein Gedicht „Die vier Heiligen Drei Könige“ aus Böhmen bringt Julia Sturzlbaum mit köstlichem Dialekt dar, großes Gelächter.

Mit „Oh Holy Night“ untermauert Armin Kahl einmal mehr, was für ein großartiger Sänger er ist.

Ein Freiwilliger aus dem Publikum wird gesucht und gefunden für Julia Sturzlbaum, bei dem sie sich mit „Santa Baby“ so richtig lasziv abarbeiten kann, der tapfere Freiwillige macht seine Sache außerordentlich gut.

Sodann stellt man fest, dass Maria nicht genug Raum gegeben wird im weihnachtlichen Liedgut und man gräbt Songs aus, die von Maria handeln, unter anderem „Mary, did you know“ von den Pentatonix, „Mary’s Boychild“ von Boney M., „Maria durch ein Dornwald ging„, Und auch Josef wird gebührend gewürdigt mit dem gospel-artigen „Josef lieber Josef mein, hilf mir wiegen mein Kindelein“ zu welchem flugs das Publikum interaktiv zum Chorus einbezogen wird (und das klingt wirklich erstaunlich gut).

Als Zugabe gibt es ein ganz zartes „Stille Nacht“.

Fazit: Zwei Stunden mit einer wunderbaren Mischung aus höchst komödiantischen Darbietungen, besinnlichen und berührenden Liedern, Lesungen und Gedichten vergingen wie im Fluge. Dank an die Künstler für gemeinsames Lachen und auch Innehalten in der „staaden Zeit“.

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Dezember 2022, Silvia E. Loske