ROCKY HORROR SHOW – Schlossfestspiele Thurn & Taxis

 

Schlossfestspiele Thurn & Taxis, Regensburg, 18.7.2013

Großartiges interaktives Spektakel im fürstlichen Schlosshof

Der Veranstalter-seits mutige Coup, dieses Jahr zu den doch eher für klassische Darbietungen berühmten Schlossfestspiele ein so derart schräges, anzügliches und anarchistisches Musical wie die „Rocky Horror Show“ zu holen, erwies sich als höchst gelungener Glücksgriff.

Auf der so gut wie ausverkauften 3000 Plätze fassenden Tribüne feierte das Publikum enthusiastisch von den ersten Tönen an die Show, die phantastischen Darsteller und – nicht zu vergessen! – vor allem sich selbst. Handelt es sich doch bei diesem Musical, das aus dem heute weltweit immer noch in vielen Kinos ununterbrochen auf dem Spielplan stehenden Low-Budget-Film entstanden ist, um ein fröhliches Mitmach-Spektakel. Die Story, für das Kino 1975 von Richard O’Brien entwickelt, ist komplett sinnfrei und reichlich bizarr, aber genau das ist wohl der Grund dafür, dass das Stück, egal ob als Kinofilm oder heutzutage als Musical aufgeführt, derartigen Kultstatus genießt.

Wie überall, wo das Stück gespielt wird, gab es auch auf dem Gelände rund um das Schloss sogenannte „Event-Tüten“ zu erwerben, in denen sich die für einen Besuch der Show unentbehrlichen Zutaten wie Reis, Toilettenpapier, Wasserspritzpistole, Zeitung, Knicklicht, Rassel, Toastbrot etc. befinden. Und ganz offensichtlich fanden die Tüten reissenden Absatz, denn die Zuschauer kriegten sich gar nicht mehr ein vor lauter fröhlichen Herumschmeissens der genannten Ingredienzen. Es war wahrhaft köstlich reihum zu beobachten, mit welchem Eifer die meisten Zuschauer zu den jeweiligen Szenen auf der Bühne in ihren Tüten kramten um hektisch das gerade passende Accessoire zutage zu fördern und juchzend herumzuwerfen. Beim nächtlichen Entkleiden fanden sich immer noch Reiskörner an Stellen, die man dort partout nicht erwartet hätte :-)).

Die Show wurde gespielt in einer Inszenierung und mit Darstellern und Orchester der Musikalischen Komödie der Oper Leipzig. Das Bühnenbild beschränkte sich auf zwei zweckdienliche Spielebenen mit links und rechts jeweils einem schwarzen Kubus, aus dem rechten kamen und verschwanden auch schonmal Darsteller, Bett und Laborutensilien wurden dort herausgezogen usw.

Das Orchester fand oben rechts Platz und spielte die bekannten Rocky Horror Ohrwürmer schmissig und mit viel Drive. Der Ton hatte mit der Aussteuerung im ersten Akt ein paar Probleme, im zweiten Akt passte alles hervorragend. Die Lichtregie traf punktgenau und beleuchtete optimal.

Kostüme und Maske konnten sich mal wieder so richtig austoben, wovon weidlich Gebrauch gemacht wurde. Lediglich den Riff-Raff hätte man noch besser respektive gruseliger ausstatten können, der kam optisch etwas zu brav daher.

Witzig die Details, die man in dieser Form natürlich nur bei einer Open Air Veranstaltung mit viel Platz ausleben kann: Brad und Janets roter Thunderbird kam aus dem Innenhof nach vorne links vor den Zuschauerbereich gefahren und der erste Auftritt von Frank N’Furter erfolgte als inszenatorischer Meistergriff auf einer riesigen Hebebühne, auf der in Nebelschwaden gehüllt der „Master“ diabolisch-charismatisch während der Intonation seines Sweet Transvestite hereinschwebte – ein bombastischer Effekt.

Des Masters in Ungnade gefallenes Ex-Spielzeug Eddie wurde auf dem Sozius medienwirksam von Fürstin Gloria auf deren Harley Davidson vor die Bühne gefahren. Eddies Auftritt indes ist nur kurz, er darf ein rockiges Liedchen singen und wird dann umgehend von Frank N’Furter gemeuchelt.

Als weiteres Highlight hüpfte das Ballett der Oper Leipzig teilweise auf Spitze – sowohl sehr synchron als auch extrem unterhaltsam – unterstützend während der Show als auch zum Amüsement des sich nach der Pause wieder auf der Tribüne einfindenden Publikums – in weißen Strapsen, Tütü und OP-Mundschutz gekleidet zu Rock- und Popklängen gelenkig die Bühne säubernd umher.

Die Darsteller waren alle bestens aufgelegt und powerten sich so richtig aus. Wie Hauptdarsteller Andreas Wolfram nach der Show strahlend erzählte, sei von Anfang an eine riesige Energiewelle vom Publikum auf die Bühne geschwappt und hätte so die Cast noch zusätzlich beflügelt. Wolframs Frank N’Furter hatte genau die richtige Mischung aus Diabolik, Arroganz, Exzentrik, bezwingender Virilität und augenzwinkernder Selbstironie, die diesen Charaker so hypnotisch zum Mittelpunkt des wuseligen Geschehens macht. Dass er darüber hinaus in seinen irrwizigen Kostümen auch noch ein optischer Hingucker ist, ist der Sache des Weiteren überaus dienlich. Während man bei seinem ersten Auftritt mit Sweet Transvestite noch staunend mit dem Hebebühneneffekt beschäftigt ist und daher seine gesangliche Darbietung – zu Unrecht – gegenüber dem optischen Erscheinen etwas hinten ansteht, so räumt er bei der melancholischen Ballade I’m going home so richtig ab. Körperlich fast statisch, doch dafür mit umso mehr Mimik schafft er hier einen großen Musiktheater-Moment.

Das anfangs verklemmte und im Verlauf des Stücks die körperlichen Freuden entdeckende Pärchen Brad und Janet wird von Uli Scherbel und Verena Barth-Jurca interpretiert. Schauspielerisch überzeugen beide vollends, stimmlich kann Verena Barth-Jurca nicht ganz mit ihrem erfahrenen Kollegen im ersten Akt mithalten, im zweiten Akt gelingt ihr dies dann in ihrem Solo Touch-a-Touch-a-Touch me sehr viel besser.

Patrick Rohbeck als Riff-Raff bleibt leider etwas blass, aus dieser Rolle ist soviel mehr herauszuholen. Gesanglich bewältigt er seinen Part ohne Probleme.

Die Rolle des Rocky muss logischerweise in der Show mit einem prachtvollen jungen Mann besetzt werden, den sich Frank N’Furter in seinem Labor als neuen Lustknaben geschaffen hat. In der Leipziger Inzenierung hat man mit Hendrik Schall den wohl optimalen Griff getan. Wann immer der blonde 1,90m große Hüne mit dem perfekten Body, nur angetan mit einem knappen güldenen Slip, die Szenerie betrat, waren kaum unterdrückte Aufseufzer des weiblichen Publikums deutlich vernehmbar. Doch er sieht nicht nur klasse aus, er spielt seinen zuerst tumben doch im Verlauf immer mehr auch zu Gefühlen fähigen Charakter mit der dafür genau erforderlichen Sensibilität. Singen kann er natürlich auch – und akrobatische Einlagen von ihm gab’s überdies auch noch zu bewundern.

Überaus rockig-stimmstark gleich zu Beginn der Show präsentiert sich Sabine Töpfer als Platzanweiserin beim Opener Science Fiction – Double Feature ebenso wie in ihrer zweiten Rolle als Magenta.  Fabian Egli als Eddie rockt mit Hot Patootie den fürstlichen Innenhof, Anna Evans als Columbia, Kostadin Arguirov als Dr. Scott und Karl Zugowski als Erzähler füllen ihre Rollen mit Spielfreude.

Als bei der finalen Übernahme der Herrschaft und anstehender Rückkehr auf den Planeten Transsylvania durch Riff-Raff, Columbia und Magenta Gericht über Frank N’Furter abgehalten wird, taucht dort auch Fürstin Gloria als Alien-Schlumpf in einer Art Pinguin-Strampler auf.

Bei der Time Warp Reprise hält es längst niemanden mehr auf den Sitzen, alle tanzen, singen und wippen begeistert mit – was als Optimal-Steigerung von Standing Ovations gelten darf.

Fazit: Don’t dream it – be it!

 (Silvia E. Loske, Juli 2013)

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Musical von Richard O’Brien (Buch, Musik und Songtexte), Deutsche Dialogfassung von Ana Christine Haffter

 

Inszenierung

Ana Christine Haffter

Musikalische Leitung

Christoph-Johannes Eichhorn

Choreographie

Mirko Mahr

Bühnenbild und Kostüme

Stefanie Klie

Choreinstudierung

Mathias Drechsler

 

 

 

 

Darsteller:

 

Frank N’Furter

Andreas Wolfram

Brad Majors

Uli Scherbel

Janet Weiss

Verena Barth-Jurca

Rocky

Hendrik Schall

Riff Raff

Patrick Rohbeck

Magenta + Platzanweiserin

Sabine Töpfer

Columbia

Anna Evans

Eddie

Fabian Egli

Dr. Scott

Kostadin Arguirov

Erzähler

Karl Zugowski

Sowie: Chor und Ballett der Musikalischen Komödie Leipzig, Orchester der Musikalischen Komödie Leipzig