DOKTOR SCHIWAGO, MuKo Leipzig: Gesprächsrunde „Roter Teppich“

Doktor Schiwago
Musikalische Komödie Leipzig, Wiederaufnahme ab 9. November 2018

„Roter Teppich“-Gesprächsrunde mit der Autorin und Komponistin Lucy Simon, Hauptdarsteller Jan Ammann und Regisseur Cusch Jung am 10.11.2018

Cusch Jung:
Schönen guten Abend, meine Damen… keine Herren hier auszumachen. Wir sind stolz, dass die Autorin und Komponistin von Doktor Schiwago heute Abend bei uns ist, Lucy Simon aus New York. Und ein nicht minderer Star ist ebenfalls hier, den Sie sicherlich alle kennen, und weswegen eher weibliche Kundschaft heute hier ist – muss ich ihn vorstellen? Nein, ich muss ihn nicht vorstellen, Doktor Schiwago alias Jan Ammann.

So, wir müssen uns sputen, wir müssen gleich auf die Bühne, ich spiele mittlerweile im Stück auch mit, ich spiele den Bösewicht. Gleich die erste Frage: muss ich übersetzen, oder könnt Ihr alle Englisch? Sehr gut, das Simultan-Übersetzen hält Gespräche immer so auf.

Lucy, meine erste Frage an Dich: wie fühlst Du Dich hier in Leipzig, an der Musikalischen Komödie?

Lucy Simon:
Es ist so eine große Freude für mich, hier in Leipzig zu sein. Mein Vater kam aus Frankfurt, darum ist Deutschland ein Teil von mir, es bedeutet mir viel und ich bin sehr stolz, in Leipzig zu sein, in dieser liebenswerten Stadt. Vielen Dank, dass ich eingeladen wurde. Die Show ist jenseits von allem, was ich mir erwartet hatte, es ist so wundervoll umgesetzt, vielen Dank an diese beiden Gentlemen hier neben mir.

Cusch Jung:
Wie kam es, dass Du seinerzeit entschieden hast: Ich bringe das Musical Doktor Schiwago auf die Bühne?

Lucy Simon:
Das war eine wirklich verrückte Idee von mir, den Versuch zu unternehmen, an die Rechte von Doktor Schiwago zu kommen … schon immer hatte ich eine tiefe Liebe zu dem Plot in mir, dieser romantische Film „Doktor Schiwago“ bedeutet für mich und meinen Ehemann sehr viel. Nachdem ich vor 30 Jahren das in Amerika sehr erfolgreich gelaufene Musical „The Secret Garden“ geschrieben hatte wuchs ein starkes Gefühl in mir, etwas zu erschaffen, was aus tiefstem Herzen kommt. Man sollte wirklich eine ausgeprägte Liebe zu einem Plot, den man auf die Bühne bringen möchte, haben, denn der kreative Erstellungsprozess dafür ist enorm zeitintensiv. Mein Vater war Pianist und spielte sehr viel russische Musik, so wuchs ich auf mit diesen schwermütigen, zu Herzen gehenden Melodien. Ich bin keine ausgebildete Musikerin, doch ich lauschte dieser russischen Musik und wusste, dass ich irgendwann etwas in dieser Richtung kreieren möchte.

Die Thema, das mich an Doktor Schiwago am meisten bewegte, war das Motiv der Auferstehung. Doktor Schiwago stirbt, doch seine Kunst und seine tiefe Liebe bleibt bestehen. „Jenseits aller Zeit“, dieses Liebeslied im Stück, drückt alles das aus, was mir wichtig ist: Die Tatsache, dass man sich über Tragödie, Krieg, Verzweiflung und Verlust erheben und trotzdem weiterleben kann und Kunst, Kultur, bleibende Erinnerungen einem dabei helfen, das Leben geht weiter. Das war einer der Hauptgründe für mich, diesen wuchtigen, dramatischen Stoff auszuwählen und nach all den Jahren des Schreibens an diesem Werk darf ich nun miterleben, wie es hier in diesem Land, in dieser großartigen Inszenierung, so viel besser umgesetzt wurde als vor Jahren in New York.

Dort hatten wir das Pech, dass große epische Musicals zum Zeitpunkt der damaligen Aufführungsserie nicht so gut ankamen, vor uns eröffneten viele andere Musicals die Spielzeit und daher dachten die Kritiker wohl, oh, dieses Stück hier lassen wir mal gegen die Wand fahren. Das Internet tat dann ein Übriges im negativen Sinn und so funktionierte es leider nicht, trotz einer hervorragenden Cast. Umso glücklicher und dankbarer bin ich jetzt, dass es hier an diesem Theater in Leipzig so überwältigend und wunderbar ist. Diese Produktion ist so intim und leidenschaftlich, ich liebe es.

Cusch Jung
Als mir vom Verlag Musik & Bühne das Skript zu Doktor Schiwago angeboten wurde, dachte ich nur: „Was – das hat hier in Deutschland noch niemand herausgebracht“? Und mir war sofort klar, dass dies eine einmalige Chance ist, ein derart großes Epos in deutscher Erstaufführung zu inszenieren. Es gibt einige große Musicalproduzenten im deutschsprachigen Raum und ich war einfach fassungslos, dass da noch niemand zugegriffen hatte. Was für ein immenses Glück für uns, wir haben sofort zugeschlagen und uns die Rechte gesichert.

Dann las ich das Skript und hörte auf einer Zugfahrt von Berlin nach Bad Hersfeld zum ersten Mal diese wundervolle Komposition, die mich direkt mitten ins Herz traf. Mir liefen im Zug die Tränen herunter und ich dachte nur, oh Gott, hoffentlich sieht mich keiner heulen. Ich wusste sofort, was das für ein großartiges Material ist und mir ist es ein völliges Rätsel, wie diese beeindruckende Show am Broadway floppen konnte. Doch egal, was da in New York schieflief: sie mochten es dort nicht, doch wir und unser Publikum lieben es! Und ich kann es jetzt schon versprechen – es wird hier für eine lange, lange Zeit laufen. Nächstes Jahr wird in der MuKo der Zuschauerraum saniert, da unterbrechen wir die Aufführungsserie, aber danach kommt Doktor Schiwago wieder.

Und dann kam gleich der nächste Gedanke: Wer soll Doktor Schiwago darstellen? Und ehrlich gesagt brauchte ich nicht lange nachzudenken, denn es lag auf der Hand: Jan und ich kannten uns seit einiger Zeit, wie man sich halt in der Branche kennt. Wir hatten uns einmal in Bad Hersfeld persönlich kennengelernt und Jan sagte damals zu mir, ich erinnere mich noch sehr gut daran: Ich würde wahnsinnig gerne mit Dir arbeiten, Cusch und ich antwortete, ja gerne, wann immer es eine Möglichkeit dazu gibt, rufe ich Dich an. Damals wusste ich nicht, dass dies rascher der Fall sein würde, als ich erahnen konnte. So rief ich Jan an und sagte „Jan, ich habe da eine Rolle für Dich … wie denkst Du über Doktor Schiwago?“. Und seine Reaktion darauf war…

Jan Ammann
Oh mein Gott, ich stand komplett unter Schock. Ich kenne das Musical und eines meiner größten Idole, Anthony Warlow, spielte dieses wundervolle Stück in Australien und ich war völlig außer mir, weil ich hier die Möglichkeit geboten bekam, in deutscher Erstaufführung Doktor Schiwago zu spielen und zu singen, die Rolle, in der Anthony so brillierte. Das war für mich etwas ganz Besonderes. Ich liebe alles an dem Stück, die Geschichte, das Buch und in Verbindung mit dieser intensiven und so emotionalen Musik war es für mich ein Traum, der Wirklichkeit wurde. Und dann noch hier in Leipzig, in dieser schönen Stadt, es hätte nicht besser kommen können.

Lucy Simon
Ich möchte etwas erwähnen, was mir Jan letzte Nacht erzählte, eine wichtige und wohl entscheidende Begebenheit zwischen diesen beiden Herren hier. Jan sagte, es wäre für ihn so wunderbar wohltuend gewesen, dass ihn Cusch seinen eigenen Zugang zur Rolle finden ließ. Cusch gab zwar Anregungen, doch gab er Jan die Möglichkeit, es so umzusetzen, wie er es fühlte und dies ist es, was diese Produktion, unter anderem, so einzigartig für Jan macht. Und ganz ähnlich geht es mir auch, wenn ich Musik schreibe.

Ich war nie auf dem Konservatorium, die Musik kam und kommt immer direkt aus meinem Herzen. Notenschreiben ist nicht meine große Stärke, ich arbeite mit so einer Art multiplem Track Rekorder… ich singe ein Motiv, und dann singe ich die zweite Stimme – Harmonien kreieren kann ich ziemlich gut und da ist dieser sichere Instinkt, Melodien zu schreiben. So kam die Komposition für Doktor Schiwago zustande – natürlich wurden meine Melodiebögen dann von Fachleuten ausgearbeitet, arrangiert und letztlich orchestriert. Daher gebührt nicht mir allein der Erfolg, es waren viele kreative Menschen an diesem Prozess beteiligt.

Cusch Jung
Lucy, hast Du weitere Pläne in Bezug auf das Schreiben von Musicals, nach Doktor Schiwago, hast Du noch Träume in Bezug auf weitere Stücke, die wir dann vielleicht hier herausbringen können? Unabhängig von „The Secret Garden“, worüber wir aktuell ernsthaft nachdenken?