PRISCILLA – KÖNIGIN DER WÜSTE

Deutsche Erstaufführung 14.12.2017, Staatstheater am Gärtnerplatz, München

Tatsächlich: It’s Raining Men!

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Als im August 1994 das schräg-schrille australische Road-Movie „The Adventures of Priscilla, Queen of the Desert” als Low-Budget-Produktion in die Kinos kam ahnte niemand, was sich daraus entwickeln würde. Der Film wurde Kult, mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Oscar für das beste Kostümdesign, fand dann im Jahr 2006 den Weg auf die Musicalbühnen und räumt seitdem mächtig ab. Das Staatstheater am Gärtnerplatz sicherte sich die Rechte und brachte nun als Deutsche Erstaufführung das quietschbunte Feelgood Jukebox-Musical auf die Bretter des erst kürzlich nach aufwendiger Sanierung wiedereröffneten Theaters. Genau dort, mitten im Kosmos der Münchner Gay-Szene, gehört das Stück auch hin mit dem nimmermüden Werben um Toleranz und mit seiner Geschichte um drei Bühnenkünstler (zwei Dragqueens und eine nach ihrer Geschlechtsumwandlung als Frau lebende ehemalige Travestiekünstlerin), die sich gemeinsam von Sydney aus in einem abgetakelten Bus namens PRISCILLA auf den über 3.000km langen Weg quer durch den australischen Outback zu einem Engagement nach Alice Springs aufmachen.

Nachtrag Oktober 2021: Seit dem großen Premierenerfolg von Ende 2017 wurde das Hitmusical immer wieder in den Gärtnerplatz-Spielplan aufgenommen und verwandelte jede einzelne Show in ein Happening – die Zuschauer lieben es einfach und können offenbar nicht genug davon bekommen. Auch im Theater St. Gallen sorgte das Gärtnerplatz Gastspiel für volles Haus und beschwingt nach Hause gehende Zuschauer. Nun ist leider am 31. Oktober 2021 die letzte Show angesetzt. Farewell, mach’s gut PRISCILLA, wir haben jede Sekunde genossen!

Im Folgenden ein bebilderter Streifzug durch die Show:

Im Cockatoo Club in Sydney ist die abendliche Show in vollem Gange.

Miss Verständnis umgeben von den Boys des Clubs

Der Solo Travestiekünstler Tick kommt hinzu. Der ist schon länger nicht mehr glücklich in dieser Show und möchte eigentlich weg.

Da bekommt er einen Anruf von Marion, die in Alice Springs lebt, vor längerem Tick geheiratet hatte, die beiden haben einen Sohn, Benji, sie leben aber getrennt. Marion erklärt Tick, dass Benji nun herangewachsen sei und nach seinem Vater fragen würde. Sie schlägt daher vor, dass Tick zu ihnen nach Alice Springs kommen solle, er könne dort im Casino, in welchem Marion für das Entertainment zuständig ist, auftreten und behutsam Benji näher kennenlernen.

Tick sieht sich ein Foto von seinem Benji an, das ihm Marion zukommen ließ und sinniert darüber, wie groß der Kleine bereits ist, er hat ihn zuletzt als Baby gesehen. I say a little prayer – wundervoll berührend fast a-capella gesungen. Großer Moment!

Nach einigem Überlegen hinsichtlich Marions Vorschlag kontaktiert Tick seine langjährige Freundin Bernadette, früher ebenfalls Künstlerin im Travestie-Bereich. Bernadette ist deprimiert, da ihr junger Lebensgefährte Trumpet gerade verstorben ist, Dont’t leave me this Way. Tick begleitet Bernadette zur Beerdigung und ist ihr eine Stütze.

Nachdem Tick Bernadette davon überzeugen kann, ein Bühnen-Comeback zu wagen und dieserhalb zusammen mit ihm nach Alice Springs aufzubrechen, rückt er damit heraus, dass noch ein Dritter mit hinzu käme: Der junge rotzige Adam, ebenfalls Travestiekünstler. Tick verschweigt den beiden seinen familiären Hintergrund…

Bernadette ist davon alles andere als angetan, hat sie doch gegenüber Adam schwere Vorbehalte aufgrund seiner in der Vergangenheit ihr zum Ausdruck gebrachten totalen Respektlosigkeit.

Doch die drei unterschiedlichen Generationen raufen sich schließlich zusammen, Adam organisiert einen alten abgetakelten Bus, den die Drei PRISCILLA taufen, und man bricht auf ins australische Outback – Go West!

Adam hat im Bus eine Pappmaché Figur seines Idols Kylie Minogue mit an Bord

Unterwegs nach Alice Springs machen die Drei in verschlafenen Käffern Stops und treten in verstaubten Bars vor einheimischem Publikum auf

Obwohl ihnen das Dorfpublikum beim Auftritt zugejubelt hat, erleben die Künstler bei der Rückkehr zum Bus eine böse Überraschung: Auf der kompletten Längsseite des Busses finden sie eine schwulenfeindliche Schmiererei vor.

Tick ist von dieser Hass-Tirade sehr getroffen. Bernadette baut ihn einfühlsam wieder auf, I see your True Colours

Adam hat einen Plan…

Er zaubert einen Eimer Farbe hervor, den er mitgenommen hatte auf die Reise, und die Drei lackieren den Bus kurzerhand komplett in pink!

Doch die Einigkeit hält nicht lange vor – wieder stänkert Adam in Richtung Bernadette, Tick muss den Streit schlichten

Der Bus macht mitten auf der Strecke die Grätsche, nichts geht mehr. Bernadette wählt eine Notruf-Hotline und überlegt, was man zwischenzeitlich tun könnte – ein Auftritt soll es sein, um diesen gleichzeitig als Vorbereitungstraining für Alice Springs zu nutzen.

Gesagt getan: in dem Kaff, in dem die Drei gestrandet sind, performen sie vor Hinterwäldlern einen schwungvollen neonfarbigen Auftritt mit DER Hymne schlechthin I will Survive (das Theater feiert begeistert mit!).

Der Mechaniker Bob – hier noch mit seiner hyperaktiven philippinischen Duracell-Häschen-Frau – stößt zur Dreiertruppe und versucht, den Bus notdürftig zu reparieren. Man kommt ins Gespräch und Bob erwähnt, dass er vor vielen Jahren einen der spektakulären Auftritte der seinerzeit berühmten Showtruppe „Les Girls“ erlebt habe. Tick steckt Bob, dass Bernadette damals der Star dieser Truppe war:

Bernadette inmitten der „Les Girls“ Grazien – Bob ist schwerst beeindruckt!

Tick bereitet sich auf einen weiteren Auftritt vor

Das Publikum besteht aus teils sehr derben zwielichtigen Kerlen

Adam sticht der Hafer – er will endlich wieder was erleben und stylt sich entsprechend – Bobs Warnungen vor den in der Gegend herumlungernden gefährlichen Kerlen schlägt er in den Wind – er will einfach Hot Stuff!

Anfangs fallen die Kerle auf Adams aufreizende Anmache herein, doch als sie merken, dass die „scharfe Blondine“ ein Mann ist, fallen sie über Adam her, eine Vergewaltigung droht. Im letzten Moment kommen Tick, Bob und vor allem Bernadette (die den Rädelsführer kurzerhand an dessen empfindlichster Stelle ausknockt) Adam zu Hilfe.

Wieder am Bus, tröstet Bernadette den völlig aufgelösten Adam

… und widmet sich anschließend dem netten Bob – zwischen den beiden knistert es gewaltig! Bob beschließt, mit dem Trio zusammen im Bus weiter zu reisen, so kann er sich um die technisch anfällige PRISCILLA kümmern und gleichzeitig Bernadette näherkommen.

After all the Loves of my Life – Bernadette hofft, dass Bob endlich ihr Mr. Right ist.

MacArthur Park – eine der großartigsten Hymnen der Disco-Ära, stimmt Tick ein auf das Wiedersehen mit seiner Familie in Alice Springs (und nebenbei lachen sich Insider kaputt, dass der in der Musicalbranche für seine grandiosen Backkünste berühmte Armin Kahl singt von „someone left the cake out in the rain …“)

das Cupcake Ballett im Regen von MacArthur Park, auch noch auf Roller Skates!

Endlich angekommen – Tick mit seiner Frau Marion und Söhnchen Benji in Alice Springs

Tick befürchtet Benjis Reaktion, wenn der seinen Vater in Frauenkleidern auf der Bühne sieht. Doch Ticks Angst ist unbegründet: Der Knirps reagiert voll cool. Bernadette und Adam fallen aus allen Wolken angesichts der Tatsache, dass Tick einen Sohn hat, berappeln sich aber und sagen ihm ihre Unterstützung als „Omi und Tante“ zu.

Wertvolle Vater-Sohn-Momente, Tick liest vor, Benji möchte gern einen Elvis-Song von seinem Vater performt haben – You were always on my Mind. Benji stimmt mit ein.

noch weiß Tick nicht, wie sein Leben weitergehen soll

Doch alles wird gut: Benji möchte, dass sein Dad bei ihm bleibt, er verspricht ihm ein eigenes Zimmer im Haus der Familie, in dem Tick auch mit einem Freund („Mama sagt, das ist nur eine Frage der Zeit“) leben kann, als glücklich-bunte Patchwork-Familie.

Währenddessen erfüllt sich Adam seinen Traum: Auf dem Ayers Rock performt er in komplettem Fummel ein Medley seines Idols Kylie Minogue

Die Drei sind angekommen, der Weg war das Ziel. Jede(r) von ihnen hat auf diesem Weg weit mehr gewonnen, als er/sie jemals zu träumen gewagt hat – We Belong

Schlussapplaus: Regissaur Gil Mehmert, Armin Kahl, Bühnenbildner Jens Kilian, Erwin Windegger

Die Show setzt auf Tempo, knackige Beats mit den Discohits der 70er und 80er Jahre von Donna Summer, Tina Turner, den Wheather Girls, Cyndi Lauper, Pet Shop Boys, Village People, Pat Benatar, Gloria Gaynor und vielen mehr – das geht gewaltig in die Beine, man will aufspringen und mittanzen. Das Orchester liefert die Hits grandios, die fetzige Choreographie wird von Sängern und Tänzern energetisch umgesetzt.

Das Bühnenbild mit dem riesigen PRISCILLA-Bus auf der Drehbühne bekommt Szenenapplaus. Und Kostümbildner Alfred Mayerhofer durfte sich wohl noch niemals zuvor so dermaßen austoben. Größter Respekt gebührt vor allem den drei Hauptdarstellern, die permanent in immer neuen, sehr aufwändigen Klamotten inklusive Perücken und schwindelerregenden High Heels auftauchen. Oftmals bleiben für die Umzüge nur 30 Sekunden und auch Umzüge mitten auf der Bühne finden statt. Chapeau!

Apropos Hauptdarsteller: was für ein grandioser Cast! Erwin Windegger als Bernadette raubt einem schlicht den Atem. Höchst stilvoll, doch bei Bedarf auch scharfzüngig,  („Du läufiges Opossum“) hat er die mit Abstand besten Sprüche. Es ist die vor allem empathische, verletzliche, lebenserfahrene und mit sehr großem Herzen ausgestattete Figur, die der Darsteller hier unvergleichlich verkörpert.

Terry Alfaro ist bestens rollengerecht als der rotzige, provokante und respektlose Jungspund besetzt, der am Ende auf dem Ayers Rock mit grandiosem Kylie Minogue Medley alle flasht.

Armin Kahl überrascht erneut: dass er überzeugend singen und spielen kann, ist hinreichend bekannt – doch dass er darüber hinaus auch noch hervorragend tanzt, rundet seine unglaubliche Vielseitigkeit noch zusätzlich ab. Die Herzen fliegen dem Künstler ganz besonders dann zu, wenn es familiär menschelt und er nicht so recht weiß, wie er mit der Unsicherheit seinem Söhnchen gegenüber umgehen soll.

Die „Diven“ Amber Schoop, Jessica Kessler und Dorina Garuci hauen mit ihren starken Stimmen ihre Songs so richtig raus, auch diese Drei haben große Klasse. Frank Berg ist ein sehr sympathisch-bodenständiger Bob.

Fazit: Die Premiere war ein Riesenerfolg, das Publikum feierte von Anfang an mit. Ticket sichern, reingehen, Party!

Die Fotos entstanden bei der Presse-Fotoprobe und unterliegen dem alleinigen Copyright von Musical Reviews.

Silvia E. Loske, Dezember 2017

Buch von Stephan Elliott und Allan Scott. Für die Bühne entwickelt von Simon Phillips, Musikalische Arrangements und Orchestrierung von Stephen Murphy, deutsch von Michael Alexander Rinz

Kreative  
Musikalische Leitung: Jeff Frohner
Regie: Gil Mehmert
Choreographie: Melissa King
Bühne: Jens Kilian
Kostüme: Alfred Mayerhofer
Licht: Michael Heidinger
Video: Raphael Kurig, Meike Ebert
Dramaturgie: Michael Alexander Rinz
   
Darsteller  
Tick: Armin Kahl
Bernadette: Erwin Windegger
Adam: Terry Alfaro
Die Diven: Dorina Garuci, Amber Schoop, Jessica Kessler
Bob: Frank Berg
Marion: Tanja Schön
Benji: Timothy Scannell

Ensemble: John Baldoz, Alex Frei, Jurriaan Bles, Dorina Garuci, Luke
Giacomin, Jessica Kessler, Marides Lazo, Karim Ben Mansur, Rachel Marshall,
Andreas Nützl, Eric Rentmeister, Adriano Sanzò, Tanja Schön, Amber Schoop,
Susanne Seimel, Samantha Turton.  
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz unter Leitung von Jeff Frohner