DREAM KING – Lebe Deinen Traum

Festspielhaus Neuschwanstein
Uraufführung 01.09.2023, besuchte Vorstellung 03.09.2023

An historischer Stätte im Festspielhaus Neuschwanstein, idyllisch am Forggensee im Allgäu nahe Füssen gelegen, genau gegenüber von Schloss Neuschwanstein, läuft seit vielen Jahren erfolgreich das Musical Ludwig2 als Nachfolger des ersten Ludwig-Musicals Ludwig – Sehnsucht nach dem Paradies. Zusätzlich initiierten Janet Chvatal und Marc Gremm, ehemalige Darsteller im ersten und zweiten Ludwig-Musical, vor einigen Jahren ein Stück namens Schwanenprinz, das als erstes Musical auf einem Schiff spielt mit diversen Anlegestationen am Forggensee und dort aufgeführten Szenen aus der Kindheit des jungen Prinzen Ludwig.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 1920-1280-max-6-1024x783.jpg

Nun wurde dieses Stück Schwanenprinz als Bühnenversion adaptiert von Janet Chvatal und Marc Gremm in Personalunion als Ersteller von Konzept und Geschichte und als Produzententeam im Festspielhaus unter dem Titel Dream King – Lebe Deinen Traum.

Entgegen den beiden ersten Ludwig-Musicals, die dokumentarisch aufbereitet sind, ist Dream King ein Phantasiegebilde, das mit viel Mystik ausgestattet gemäß Pressetext diese Story bedient:

************

Der König ist auf der Flucht vor seiner Pflicht. Einst ein Prinz mit dem Mut zu träumen hat der König seine eigenen Träume vergessen. Und der Prinz, der er einmal war, ist tief in seinem Inneren verborgen. Vom politischen Alltag zermürbt kehrt der König in das Schloss seiner Kindheit zurück. Nur seine Seelenverwandte, die Kaiserin, und sein Diener – stehen ihm treu zur Seite.

Hier im Schloss wurde er unter der strengen Hand seines Vaters erzogen und hier lies er schon als kleiner Prinz die Helden des Mittelalters in seiner Phantasie lebendig werden. An diesem magischen Ort, nimmt er uns mit auf seine Heldenreise in die inspirierende Welt des „Schwanenritters” und des „Magischen Schwans“.

Nun muss der König seine Träume wiedererkennen, den Prinz in sich entdecken und die Ketten seines Vaters und seiner Ahnen endlich sprengen um die Träume der Menschheit zu retten und um sein Königreich so zu regieren, wie nie ein Herrscher zuvor. Dies ist die Geburtsstunde eines Märchenkönigs.

*************

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 1024-1536-3.jpg

Ob es zusätzlich zu den bisherigen beiden Ludwig-Musicals, die künstlerisch und dokumentarisch großartig für die Bühne konzipiert wurden, einen weiteren Ludwig-Stoff braucht? Das möge jeder für sich selbst entscheiden. Nachdem in den beiden erstgenannten Werken das Leben des Monarchen bereits in allen Aspekten ausführlich beleuchtet wurde, bedient man sich hier der Märchen-Schiene mit Anleihen an „Herr der Ringe“ und einem seltsam verschwurbelten und bei den Zuschauern größtenteils Fragezeichen in den Gesichtern auslösenden Plot.

Aufhänger ist die kurze Sequenz aus dem Ludwig2 Musical, in welcher der kleine Ludwig von Rittern, magischen Schwänen, Schwanenrittern, der Suche nach dem heiligen Gral (hier nun bezeichnet als Kelch, mit den Träumen der Menschheit), Lohengrin und tapferen Helden des Mittelalters schwärmt. Dieses Sujet wird nun im Musical Dream King als Basis verwendet, um daraus in über zwei Stunden Spielzeit die Traumwelt des kleinen Prinzen Ludwig bis hin zu dem an den Realitäten der Königsbürde zweifelnden erwachsenen Ludwig zu zeichnen.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 1920-1280-max-10-1024x716.jpg

Das hätte durchaus interessant werden können, scheitert aber daran, dass das Autorenteam offenbar zu viel wollte, zu viel in diese Märchensaga hineinpfropft und es letztlich für den Zuschauer ein größtenteils undurchschaubar verschachteltes, ohne erforderliche theatrale Stringenz kreiertes Fantasy-Musical wurde.

Der erste Akt schleppt sich langatmig gefühlt wie in Zeitlupe dahin, der Personenregie fällt nicht viel mehr ein, als die Darsteller statisch agieren zu lassen. Im zweiten Akt ist endlich mehr Leben im Stück und auch die besten Arien sind dort enthalten, wie „Einsam bin ich in meinem Königsmantel (ewig lebt der Königstraum“),

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 2000-1333-max-3-1024x842.jpg

das Duett „Nimm das Feuer in meinem Herzen“ von Ludwig und Elisabeth und das Duett „Es beginnt heut Nacht“ (ist das der richtige Titel?) von Ludwig und dem bösen Hexenmeister Klingsor.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 1920-1259-max-2-1024x801.jpg

Das Bühnenbild lebt in erster Linie von Projektionen, die der ohnehin schon imposanten Bühne noch mehr Tiefe verleihen.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 1920-1280-max-9-1024x740.jpg

Und von fast durchgehend in allen Szenen bedeutungsschwanger wabernden Nebelschwaden. Verwendung aus dem Ludwig2 Musical findet ein 4m hohes Skelett und stellt den „Roten Ritter“ dar, mit rot leuchtenden Augen, der im Schwertkampf gegen den erwachsenen Ludwig agiert.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 1920-1280-max-3-1024x683.jpg

Ein Schwan mit vielen Metern Spannweite ist ebenso eindrucksvoll zu bewundern. Der Ton ist gut ausgesteuert, die Textverständlichkeit daher jederzeit gegeben. Das Lichtdesign ist in vielen Szenen ein Problem, es ist insgesamt viel zu dunkel. Die meisten der Kostüme gab es bereits im Fundus, die neu hinzugekommenen fügen sich gut ein.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 2000-1289-max-2-1024x785.jpg
Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 2000-1333-max-2-1024x745.jpg

Nic Raine’s Komposition ist gefällig, in Erinnerung bleiben die großen Arien, geschickt eingestreute Reprisen sorgen dafür, dass manche Melodiebögen haften bleiben. Leider vergaloppieren sich häufig die Liedtexte dahingehend, dass die Wörter nicht in den musikalischen Ablauf passen. Mag wohl an der deutschen Übersetzung der ursprünglich im Englischen vorliegenden Lyrics liegen. Wie stets bei Musicalproduktionen im Festspielhaus kommt auch hier die Musik vom Band. Gerne hätte man Informationen zur Songfolge nachgelesen, jedoch gibt es leider kein Programmheft, nur ein dürftiges A5-Faltblättchen, welches die Kreativen und Darsteller auflistet.

Die Darstellerriege ist das größte Plus dieser Inszenierung, man hat arrivierte Musicaldarsteller für das Stück gewinnen können. Patrick Stanke gibt im ersten Akt König Maximilian, den Vater von Ludwig II. und im zweiten Akt den Antagonisten Klingsor. Beide Charaktere sowohl schauspielerisch als auch stimmlich verkörpert der erfahrene Musicalstar vorzüglich, wobei insbesondere die Zeichnung des Vater-Charakters in Teilen anrührt und Verständnis auslöst ob seines steten Ansinnens, dass aus dem naiven Kind Ludwig ein verantwortungsvoller Monarch werden möge.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 1920-1280-max-5-1024x683.jpg

Hier zeigen sich deutliche Parallelen zum österreichischen Kronprinzen Rudolf: beide Thronfolger waren offenbar hochsensible Kinder, die von ihren Vätern mit Strenge auf das Amt vorbereitet wurden und beide letztlich scheiterten.

Kristin Backes ist eine glaubhafte Sisi, Kaiserin Elisabeth von Österreich. Ihr gelingt es, den Bogen von der jugendlichen Prinzessin zu spannen, die mit ihrem Cousin Ludwig voll überschwänglicher Lebensfreude herumtollt,

"IMG_0220_Dominik_Sporer.jpg"

bis zur gereiften Monarchin, die dem erwachsenen, zweifelnden Ludwig stets eine große Stütze ist. Zu hinterfragen ist allerdings im Stück ihr Drängen dem hadernden Ludwig gegenüber, er möge endlich für sein Volk sorgen. Ist es doch hinlänglich dokumentarisch nachgewiesen, dass die Kaiserin selbst sich keinen Deut um ihr österreichisches Volk geschert hat, sondern ausschließlich ihrem egozentrischen Lebenswandel gefrönt hat.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 4096-2731-max-3-1024x753.jpg

Als Ludwigs Mutter agiert Misha Kovar im ersten Akt, hin- und hergerissen zwischen ihrer Fürsorge für ihren Sohn und andererseits getrieben von ihrer Aufgabe, Ludwig aus seinen Kindheitsphantasien zu holen und ihn zu dem vor ihm liegenden Amt als künftiger Monarch von Bayern zu erziehen. Das sich wiederholende Thema „zu weit weg, zu lange her“ singt sie berührend wehmütig. Im zweiten Akt ist sie als rachsüchtige Zauberin Kundry an der Seite von Klingsor zu erleben.

Der junge Ludwig wurde in der besuchten Vorstellung von Felix Lang gespielt. Der jugendliche Darsteller ist mit viel Elan bei der Sache und meistert seine herausfordernde Rolle, bei der er zu einem Großteil der zwei Vorstellungsstunden auf der Bühne agiert, sehr beachtlich.

"02h_DSC_1806_Peter_Samer.jpg"

Chris Green ist sehr gut besetzt in seiner Charakterisierung des Dieners von Ludwig, der seit dessen Geburt bis zum Ende des Monarchen diesem stets loyal zur Seite steht. Stimmlich überzeugt Chris Green im zweiten Akt mit einem Solo, dessen Titel hier leider nicht wiedergegeben werden kann (aufgrund des fehlenden Programmhefts). Bereits von Anfang an im „Schwanenprinz“ besetzt als Diener erlebt man ihn im zweiten Akt deutlich gealtert, mit grauem Haar, gebückter Haltung, hat ganz offensichtlich Rücken. Sein unvermittelt eingestreutes „ich will jetzt etwas singen“ wirkt Regie-seitig theatralisch deplatziert.

Getragen wird die ganze Produktion jedoch von DEM König Ludwig Darsteller: Musicalstar Jan Ammann schlüpft erneut, zum nun dritten Mal, in den Charakter des bayerischen Märchenkönigs und rettet mit seiner Bühnenpräsenz, seiner fast aristokratischen Erscheinung und ganz besonders mit seiner unnachahmlichen Stimme das Stück. Mit beeindruckender Sicherheit meistert er seine durchaus anspruchsvollen Balladen und trifft jeden einzelnen Ton absolut punktgenau. Mit seinem außergewöhnlichen Bariton schmeichelt sich jedes Solo und jedes Duett in den Gehörgang und völlig zu Recht wird jede seiner Arien entsprechend bejubelt.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 4096-2731-max-2-1024x722.jpg

Das Ensemble ist in diversen Tanzsequenzen und im späteren Verlauf des Stücks als gesichtslose Ahnen mit tief über die Augen gezogenen Kapuzen eingesetzt.

Am Ende erlebt der Zuschauer im am besuchten Sonntag lediglich zu ca. 60% besetzten Festspielhaus einen (weiteren) irritierenden Moment: Der Vorhang senkt sich, Stück zu Ende. Zuschauer applaudieren. Bis plötzlich der Vorhang noch einmal hochgeht und das Lied „Leb Deinen Traum“ von allen Darstellern intoniert wird, dann erneuter Vorhang.

Fazit: Ohne jeden Zweifel war der Monarch ein großer Visionär, seiner Zeit weit voraus. Der Freistaat Bayern ist ihm zu Dank verpflichtet für die imposanten Schlösser, die einen erheblichen Wirtschaftsfaktor ausmachen. Ein Held allerdings, der für andere sein Leben gegeben hat, war Ludwig II. sicherlich nicht. Daher ist eindimensionale Heldenglorifizierung fehl am Platze und wird der vielschichtigen Persönlichkeit Ludwigs, die nicht ausschließlich nur gute Seiten hatte, nicht gerecht.

Und ja, es ist für jeden Menschen wichtig, Träume zu haben. Sein ganzes Leben jedoch nur auf Träume zu stützen, ist schlicht fatal. Daher ist das ständige Credo des Musicals „Lebe Deinen Traum“ lediglich realitätsfernes Wunschdenken. Ein Luxus, den sich nur wenige erlauben können.

Silvia E. Loske, September 2023

Weitere Informationen zum Stück, Tickets etc. auf der Seite des Festspielhauses Neuschwanstein.

Hier der Trailer:

Showfotos:  © Peter Samer, Klaus Schnaidt, Dominik Sporer

Schlussapplausfotos: © Musical Reviews

Musical von Janet Chvatal & Marc Gremm, produziert von Manfred Hertlein und Benjamin Sahler

Kreative 
MusikNic Raine
RegieJanet Chvatal
Buch und LiedtexteJanet Chvatal & Marc Gremm
Musikalische LeitungPerrin Allen
BühnenbildMichael Curry, Oliver Knipp, Marcus Bendel, Nicolai Poell
ChoreographieStefanie Gröning, Anna Martens, Alina Groder
KostümeVeronika Müller, Claudia Krämer, Erih Gössler, Sophie Amann, Roja Grosch
LichtSteffen Vogel
Video/ProjektionenFranky Kühnlein, Janet Chvatal, Mario Ruschel
SounddesignMario Ruschel, Tobias Gerster
Darsteller 
Erwachsener Prinz/KönigJan Ammann
Vater/KlingsorPatrick Stanke
DienerChristopher Green
Mutter/KundryMisha Kovar
Prinzessin/KaiserinKristin Backes
Junger PrinzNoah von Rom, Felix Lang
GroßvaterJohn Arthur Westerdoll III.
SchwanAlina Groder
Ensemble: Anna Martens, Esmeralda Endruweit, Kristina Bösl, Slina Kohl, Luzia Sahler, Finola Schulze, Volker Bleck, Roman Mösslein, Alexander Krämer, Leon Heim, Florian Kügle, Eike Rücker-Klapper, Fabian Geyer, Naia Chvatal-Jones, Lucie Kahlenberg, Leni Hierzer, Lea Pade