JEKYLL & HYDE

Staatstheater Darmstadt, Premiere 3. November 2023

Das Gute und das Böse im Menschen – JH7 und die dramatischen Folgen…

Zahlreiche erfolgreiche Musicals hat Balladenkönig Frank Wildhorn in den letzten 30 Jahren erschaffen, doch das mit Abstand beim Publikum beliebteste ist das schaurig-schöne Jekyll & Hyde, welches auf der 1886 erschienenen Novelle „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ des schottischen Schriftstellers Robert Louis Balfour Stevenson basiert.

Die bereits 2019 an der Oper Dortmund gezeigte vielbejubelte Inszenierung von Gil Mehmert wurde nun komplett in Ausstattung und kreativem Background (Bühnenbild, Kostüme, Choreographie) ins 1.200 Plätze fassende Staatstheater Darmstadt transferiert, allerdings mit komplett neuem Cast. Und begeistert auch hier, so viel schon vorab, restlos.

Die Story und die grandiose Partitur ziehen einen sofort magisch ins viktorianische England des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit den sozialen Problemherden zwischen gehobener Gesellschaft und Volk.

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Am Londoner St. Jude’s Hospital ist der engagierte Arzt Dr. Henry Jekyll zutiefst davon überzeugt, dass jeder Mensch zwei Seelenseiten hat, das Gute und das Böse. Diese beiden Seiten zu trennen und somit das Böse der Menschheit auszumerzen, ist sein ehrgeiziges Ziel. Erfolglos versucht er, das Gremium des Hospitals für seine Forschungen an einem lebendigen Patienten zu gewinnen und scheitert ob der hochnäsigen Ignoranz der dem Gremium angehörigen Oberschicht mit seiner Anfrage krachend.  Mangels eines Probanden beschließt er daraufhin, das Experiment kurzerhand an sich selbst durchzuführen. Es gelingt: Dr. Jekyll erschafft sein böses Alter Ego Edward Hyde – doch er verliert zunehmend die Kontrolle über ihn. Die dramatische Schauergeschichte einer gespaltenen Persönlichkeit im unerbittlichen Kampf mit sich selbst nimmt packend an Fahrt auf.

Unterstützt in seinem Vorhaben wird Henry Jekyll – anfangs – von seiner loyalen Verlobten Lisa Carew, deren Vater Sir Danvers ebenfalls dem Hospital Gremium angehört und Henrys Forschungen skeptisch gegenübersteht. Lisa verteidigt ihren zukünftigen Mann ihrem Vater gegenüber.

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Bei seinem Junggesellenabschied gerät Henry zusammen mit seinem Freund, dem Anwalt John Utterson, in das zwielichtige Etablissement „Rote Ratte“ und lernt dort die pralle Lebenslust verkörpernde Dirne Lucy Harris kennen. Diese verguckt sich auf den ersten Blick in den smarten Doktor, dieser händigt ihr seine Visitenkarte aus mit dem Hinweis, dass sie sich jederzeit an ihn wenden könne, falls sie in Not geraten würde.

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Zurück in seinem Haus begibt sich Henry in sein im Keller befindliches Laboratorium und spritzt sich dort im Selbstversuch 100 ml des von ihm entwickelten Elixiers JH7, während er penibel Buch über den Verlauf des Experiments führt.

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Nach ein paar Sekunden schon mutiert er zu seinem bösartigen, skrupellosen Alter Ego Edward Hyde und das Experiment gerät außer Kontrolle – Henry notiert in seinem Buch: „Mitternacht – unerwartete Entwicklung“. Aus dem sympathischen bebrillten Nerd Dr. Henry Jekyll wird das Monster Edward Hyde in angespannt animalischer Haltung, mit irrem Blick, wirrem langen Haar und Mordlust.

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Fortan streift Hyde mit seinem Gehstock, den er als Waffe einsetzt, durch das nächtliche London und meuchelt nacheinander alle Mitglieder des Gremiums, die Henry ihre Unterstützung verwehrt hatten, darunter der pädophile Bischof von Basingstoke und die widerwärtig-versnobte Lady Beaconsfield. Letzterer dreht er mit höhnischem Gelächter krachend-knackend den Hals um.

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Hyde sucht Lucy auf und springt grob mit ihr um, sie, obwohl verliebt in Dr. Jekyll, kann sich dem animalischen Hyde nicht entziehen. Und sucht tags darauf Henry Jekyll in seinem Haus auf, Hyde hat ihr eine Wunde an der Schulter zugefügt. Henry behandelt Lucy und ihm schwant, welches Unheil Hyde anzurichten imstande ist.

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Nach Ende der Nacht verwandelt sich Hyde wieder zurück in Henry Jekyll, welcher sich immer mehr von seinem Freund Utterson und auch von Lisa charakterlich entfernt und fiebrig besessen weiter forscht. Er weiß, dass er die Mutation in Hyde nicht mehr steuern kann und ihm alles entgleitet. Er ahnt, dass Lucy durch ihn, respektive Hyde, in Gefahr ist und schickt Utterson mit einem Brief zu ihr, in welchem er sie flehentlich bittet, umgehend London zu verlassen. Lucy packt ihre wenigen Habseligkeiten in einen Koffer, doch es ist zu spät… Hyde bringt auch sie um.

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Am Tag seiner Hochzeit, vor dem Traualtar, eskaliert alles – Henry verwandelt sich vor den Augen der schockierten Hochzeitsgesellschaft in Hyde. In einem letzten Aufflackern des Erkennens seiner ausweglosen Lage schreit er Utterson an „erlöse mich“ und wirft sich in dessen Pistolenlauf. Und stirbt in den Armen seiner verzweifelten Lisa.

Ein düsteres Stück also, enorm packend inszeniert und mit einem hochengagierten Cast mit viel Herzblut dargeboten.

Gil Mehmert’s Kreativteam holt alles aus der Geschichte heraus. Sämtliche technischen Möglichkeiten der Darmstädter Bühne werden genüßlich ausgereizt, das Bühnenbild (Jens Kilian) ist schlicht sensationell in vier Bereiche unterteilt und zeigt auf der Drehbühne blitzschnell die verschiedenen Verortungen wie das Hospital, das herrschaftliche Anwesen von Sir Danvers, das Etablissement Rote Ratte, die Straßen von London. Und als besonderer Wow-Moment fährt vom Bühnenboden herauf das Labor, in welchem es zischt, brodelt, wabert. Einfach nur grandios! Unterstützt werden die Schaumomente durch die viktorianischen Gewänder dieser Epoche, eine fabelhafte Licht-Regie, das schwungvoll-süffig aufspielende Staatsorchester, den Opernchor, die Statisterie, tolle Choreographie (Simon Eichenberger) und eine zu jeder Zeit ausgewogene Tonaussteuerung mit guter Textverständlichkeit. Ein Fest fürs Auge.

Und natürlich für die Ohren. Frank Wildhorns Partitur ist bestückt mit zahllosen Hits, geschickt eingesetzte Reprisen werden sofort mit den entsprechenden Bühnencharakteren verbunden. Packende Ensemblenummern wie „Fassade“ im ersten und „Mörder, Mörder“ im zweiten Akt bekommt man gar nicht mehr aus dem Gehörgang raus und für seine hochmelodischen Balladen und Duette ist der Meister ohnehin weltweit bekannt.

Zu den Darstellern:

Barbara Obermeier ist eine optisch und stimmlich perfekte Besetzung für die Lisa Carew. Anmutig bildet sie mit Henry Jekyll das Traumpaar, ihr lieblicher glockenklarer Sopran verzaubert insbesondere in „Da war einst ein Traum“ und im Duett mit Nadja Scheiwillers Lucy setzen die beiden in Henry verliebten Damen einen Höhepunkt im Duett „Nur sein Blick“.

Womit wir schon bei Nadja Scheiwiller sind. Ihre Interpretation der Lucy punktet mit drall-saftiger Lebensgier, doch im Verlauf kommt immer mehr ihre Verletzlichkeit und ihr sehnlicher Wunsch nach einem normalen Leben mit „Mitgefühl, Zärtlichkeit“ immer mehr zum Vorschein. Ausrufezeichen setzt sie mit dem frivolen „Männer her“ in der Roten Ratte sowie insbesondere gegen Ende mit dem wundervollen „Jemand wie Du“ und ihrem sehnsüchtigen „Mein Leben“. Hier zeigt sie ihr ganzes stimmliches Können. Das lüsterne Duett mit Hyde „Ein gefährliches Spiel“ zieht ebenfalls in den Bann.

Die Doppelrolle des Dr. Jekyll und Eward Hyde ist mit das Herausforderndste für einen männlichen Musical-Star im Business. Das Multitalent Alexander Klaws verwandelt alles, was er anpackt, in Erfolg. Sei es im Popbereich (Sieg in der ersten Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ vor 20 Jahren, zahlreichen eigenen Alben), auf dem Tanzparkett (überwältigender Sieg bei „Let’s Dance“), im Format „The Masked Singer“ (hier gewann er letztes Jahr), als Schauspieler (in einer TV Soap und als Winnetou bei den Bad Segeberger Festspielen) oder als TV-Moderator zahlreicher Shows. Und – natürlich – nachdrücklich im Musicalbereich. Dies ist das erste Mal, dass man den sympathischen Künstler in einer Rolle als Bösewicht erlebt. Darauf muss man sich erstmal einlassen.

Doch auch dies gelingt dem 40-Jährigen überragend, es läuft einem als Zuschauer ein fröstelnder Schauer über den Rücken, wenn er – eben noch der einfühlsame Arzt Dr. Jekyll – zum bösartigen Monster Edward Hyde mutiert. Nicht nur optisch passt die Verwandlung, auch stimmlich sind da, man könnte es fast meinen, zwei verschiedene Darsteller auf der Bühne. Tief kehlig-rauh bricht es aus ihm heraus, physisch ist diese Rolle ein Kraftakt, den nur ein so top fitter Darsteller wie Alexander Klaws derart überzeugend spielen kann. Wenn Hyde von Jekyll Besitz ergreift, wirft es den Künstler quer über den Bühnenboden, er wälzt sich, stöhnt, leidet, bäumt sich auf.

Mit „Dies ist die Stunde“ hat er die bekannteste Arie des Stücks, welche er als Henry interpretiert. Seine Songs als Hyde wie „So lebendig!“ und die zwingende Arie „Die Konfrontation“ tackern einen regelrecht in den Sessel und verursachen kurzzeitig Schnappatmung.

Neben der ersten Transformation nach dem Einspritzen seines Elixiers im Labor eskaliert im Verlauf dann in „Die Konfrontation“ das Geschehen – hin- und hergerissen zwischen den beiden Charakteren kämpft Henry als Edward mit seinem fratzengleichen überdimensionalen Konterfei im großen Spiegel, der von der verzweifelten Kreatur am Ende attackiert in tausend Stücke zerbirst. Dies ist eine neue Herangehensweise an diese atemberaubende Szene, Respekt an den Regisseur.

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Flankiert werden die drei sehr starken Hauptdarsteller*innen von einem spielfreudigen Ensemble, von denen aber rollenbedingt niemand heraussticht. Noch zu nennen ist Livio Cecini als Henrys Freund John Utterson mit einer soliden Performance.

Bemerkenswert ist, dass bereits alle acht anberaumten Vorstellungen der Spielzeit noch vor der Premiere restlos ausverkauft waren. Es wird deshalb Zusatzvorstellungen geben, deren Vorverkauf am 10. November 23 startet. Tip an alle Musicalbegeisterten: Unbedingt versuchen, für die Zusatzvorstellungen Tickets zu ergattern, es lohnt sich!

Silvia E. Loske, November 2023

Infos, Tickets: https://www.staatstheater-darmstadt.de/veranstaltungen/jekyll-hyde.1432/

Videos vom Schlussapplaus am Premierenabend:

Showfotos:  © Martin Sigmund, Staatstheater Darmstadt
Schlussapplaus- und Premierenfeierfotos: © Musical Reviews

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Premierenfeier:

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Musical von Steve Cudden und Frank Wildhorn nach dem Roman von Robert Louis Stevenson
Liedtexte von Leslie Bricusse

Kreative 
Musikalische LeitungNicolas Kierdorf / Michael Nündel
RegieGil Mehmert
Associate DirectorTill Kleine-Möller
ChoreographieSimon Eichenberger
BühneJens Kilian
KostümeFalk Bauer
SounddesignJörg Grünsfelder
Darsteller 
Henry Jekyll / Edward HydeAlexander Klaws
John UttersonLivio Cecini
Lisa CarewBarbara Obermeier
Lucy HarrisNadja Scheiwiller
Sir Danvers CarewVolker Metzger
Simon StrideBenjamin Werth
Bischof von BasingstokeDaniel Ewald
Lady BeaconsfieldIngrid Katzengruber
Lord SavageThomas Mehnert
General Lord GlossopMarco Mondragon
NellieStefanie Köhm
Sir Archibald ProopsStefan Grunwald
PooleAdrian Hochstrasser

Ensemble, Covers
: Florian Minnerop, Lisa Maria Wehle, Nicole Eckenigk, Sarah Steinemer, Maja Sikora, Yannic Blauert, Annika Netthorn, Khvicha Khozrevanidze, Gundula Schulte
Staatsorchester Darmstadt
Opernchor des Staatstheaters
Statisterie des Staatstheaters